Ein nicht geltend gemachter Unterhaltsanspruch kann grundsätzlich schon vor Eintritt der Verjährung verwirken (§ 242 BGB). Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, ist eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen zu erwarten, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung seines Anspruchs bemüht.[1] Rückständiger Unterhalt kann daher grundsätzlich der Verwirkung unterliegen, wenn sich seine Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung als unzulässig darstellt, dies gilt sowohl für nicht titulierte als auch für titulierte Unterhaltsansprüche.[2]

Eine Verwirkung erfordert dabei das Vorliegen eines Zeit- und Umstandsmomentes. Dabei sind die Gründe, die eine mögliche zeitnahe Geltendmachung von Unterhalt nahelegen so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung bereits erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als 1 Jahr zurückliegen. Nach § 1585b Abs. 3, § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB findet der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes bei Unterhaltsrückständen für eine mehr als 1 Jahr zurückliegende Zeit besondere Beachtung. Daher kann der Ablauf einer Frist von mehr als einem Jahr ausreichen für die Bejahung des Zeitmoments.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH müssen zum reinen Zeitablauf aber besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen[3] (Umstandsmoment). Das Umstandsmoment ist nicht schon erfüllt, wenn der Anspruch nur nicht geltend gemacht wird. Dies löst für sich genommen kein berechtigtes Vertrauen des Schuldners aus. Dies gilt nicht nur, wenn der Gläubiger bloß untätig ist, sondern grundsätzlich auch, wenn er es unterlässt, eine bereits begonnene Geltendmachung fortzusetzen.[4]

Die Verwirkung nach § 242 BGB kommt demnach nur dann in Betracht, wenn Unterhaltsansprüche länger als ein Jahr nicht geltend worden sind, obwohl der Berechtigte dazu in der Lage gewesen wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde.

Einer Verwirkung nach § 242 BGB steht die Regelung des § 207 BGB nicht entgegen. Auch wenn dem Anspruchsinhaber im Rahmen der Verjährung ein gesetzlicher Hemmungstatbestand zugutekommt (§ 207 BGB), steht dies einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht entgegen. Die gesetzlichen Hemmungstatbestände beziehen sich auf das Verjährungsrecht und sind wie die Verjährung im Allgemeinen nur für die Frage bedeutsam, ob die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs allein aus Zeitgründen scheitert. Die Verjährung und Verwirkung beruhen auf unterschiedlichen Grundlagen, sodass der Verwirkung der Hemmungstatbestand des § 207 BGB nicht entgegensteht.[5]

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