Wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit nicht ausübt, obwohl er dies könnte, können nicht nur die tatsächlichen, sondern auch die fiktiv erzielbaren Einkünfte berücksichtigt werden. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, welche die Leistungsfähigkeit begründen sollen, hat neben den fehlenden subjektiven Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners objektiv zur Voraussetzung, dass die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten überhaupt erzielbar sind, was von den persönlichen Voraussetzungen des Unterhaltsschuldners wie Alter, Ausbildung, Berufserfahrung und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängig ist.[1] In diesem Zusammenhang wird auch von einer "realen Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen" gesprochen.[2]

Wird einem Unterhaltsschuldner die Erwirtschaftung eines Einkommens abverlangt, welches er objektiv nicht erzielen kann, liegt regelmäßig ein unverhältnismäßiger Eingriff in seine wirtschaftliche Handlungsfreiheit vor.[3]

Die Höhe eines fiktiven Einkommens muss sich an dem unter Berücksichtigung der beruflichen Vorbildung des Unterhaltsschuldners realistischerweise erzielbaren Verdienst orientieren. Das erzielbare Einkommen ist zu schätzen. Hilfreich hierfür sind Tarifverträge oder im Internet zu findende Lohnspiegel (z. B. www.lohnspiegel.de oder www.boeckler.de). Auch die Heranziehung der in zahlreichen Branchen geltenden Mindestlöhne sowie des gesetzlichen Mindestlohns als Untergrenze (der gesetzliche Mindestlohn steigt zum 1.1.2019 auf 9,19 EUR und zum 1.1.2020 auf 9,35 EUR) kommt in Betracht.

Erzielt ein selbstständiger Unterhaltsschuldner über einen längeren Zeitraum aus seiner selbstständigen Tätigkeit keine bzw. nur geringfügige Einkünfte, ist ihm ein fiktives Einkommen aus abhängiger Tätigkeit zuzurechnen.[4]

 
Hinweis

Wird ein fiktiv anzusetzendes Einkommen zugerechnet, sind auch entsprechende Belastungen – wie insbesondere Steuern, Sozialversicherungskoten, berufsbedingte Aufwendungen – fiktiv in angemessener Höhe in Abzug zu bringen.

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