Leitsatz (amtlich)

1. Zur Antragsbefugnis und Aktivlegitimation gewerblicher Spielevermittler im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen Wettbewerbsverstößen einer staatlichen Lotteriegesellschaft.

2. Wenn die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO zwischen Erlass und Zustellung der einstweiligen Verfügung eingehalten wurde, bleibt für die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 UWG allein aufgrund Zeitablaufs kein Raum.

3. Die Mitteilung des Höchstgewinnbetrages in der laufenden Ziehung einer staatlichen Lotteriegesellschaft auf Werbeaufstellern, die sich in das allgemeine Straßenbild einfügen, stellt als solche noch keine unzulässige Werbung i.S.d. § 5 Abs. 1, Abs. 2 GlüStV dar. Werbeaufsteller mit dem auffordernd lächelnden Lottotrainer oder Blinktafeln, die den im Jackpot befindlichen Höchstgewinnbetrag einer staatlichen Lotteriegesellschaft blickfangmäßig herausstellen, während die nach § 5 Abs. 2 Satz 3 GlüStV erforderlichen Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten kaum wahrnehmbar in den Hintergrund treten, verstoßen dem gegenüber gegen § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV.

4. Ein im Internet anzeigenähnlich veröffentlichter Lottoschein, der spielerisch ausgefüllt, wenn auch nicht abgeschickt werden kann, stellt ebenso wie ein dort eingestelltes Fotos einer Lottoannahmestelle mit zwei, dem Betrachter freundlich entgegenlächelnden Verkäuferinnen einen Anreiz zur Teilnahme am Lottospiel dar. Es handelt sich dementsprechend um Werbung i.S.d. § 5 Abs. 3 GlüStV. Diese ist auch dann unzulässig, wenn die Werbung sachlich und informativ gehalten und mit ausreichenden 'links' zu Informationen über Jugend- und Spielerschutz versehen ist.

5. Ein generelles Verbot, die Angebote zur Teilnahme an Glücksspielen, Lotterien und Sportwetten über Ladenlokale zu vertreiben, in denen auch andere Lebens- und Genussmittel verkauft werden, insbesondere die räumliche Trennung des Glücksspielangebots von Süßwarenangeboten kann weder auf der Grundlage des Glücksspielstaatsvertrages, noch auf der Grundlage der vom Land Berlin erlassenen Ausführungsvorschriften im AG GlüStV gefordert werden. Auch die Bewerbung der Produkte einer staatlichen Lotteriegesellschaft in öffentlich zugänglichen Ladenlokalen ohne räumliche Abtrennung von den dort gleichzeitig angebotenen Süßwaren verstößt als solches nicht gegen § 5 Abs. 2 GlüStV.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 07.10.2008; Aktenzeichen 103 O 134/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 7.10.2008 verkündete Urteil des LG Berlin - 103 O 134/08 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Auf den Antrag der Verfügungsklägerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung gem. §§ 935 ff. ZPO Folgendes angeordnet:

Die Verfügungsbeklagte hat es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft zu vollstrecken ist an dem oder den gesetzlichen Vertretern der Verfügungsbeklagten, zu unterlassen, im Bereich des Glücksspielwesens

1. bei der Bewerbung des Lotto 6 aus 49 den möglichen Höchstgewinn (sog. Jackpot) mitzuteilen und/oder mitteilen zu lassen, wenn dies wie beispielhaft nachstehend wiedergegeben durch den Blickfang - insbesondere im Verhältnis zu Warn- und Aufklärungsangaben - bestimmende Herausstellung des möglichen Höchstgewinnbetrages

(hier: "JACKPOT!")

und/oder

(hier: "JACKPOT LOTTO 5 Mio"

insbesondere wenn die Angabe "5 Mio" an und aus blinkt)

geschieht und am 1.7.2008 geschehen ist

und/oder

2. im Internet

a) die Lotterien

Lotto (6 aus 49) und/oder

Keno und/oder

TOTO und/oder

ODDSET und/oder

Spiel 77

und/oder

b) Einrichtungen von Annahmestellen der Beklagten mit Mischsortiment im Bild zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wie am 9.7.2008 unter www.lotto-berlin.de geschehen und nachstehend beispielhaft wiedergegeben:

und/oder

Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist eine Gesellschaft niederländischen Rechts, die nach eigener Behauptung seit Anfang 2008 auf dem deutschen Markt tätig ist. Sie bietet - nach eigener Behauptung selbst, nach Behauptung der Verfügungsbeklagten über die allein als gewerblicher Spielevermittler auftretende ... - den Erwerb von Anteilen an Gesellschaften bürgerlichen Rechts, sog. "WinFonds" an. Diese Fonds erzielen Erträge zum einen durch die Beschaffung von Bezugs- und Berechtigungsscheinen sowie verschiedenen Inhaberpapieren und zum anderen durch die Teilnahme an Ausspielungen, Lotterien, Wetten und staatlich konzessionierten Glücksspielangeboten aller Art. Bei dem Produkt "WinFonds" werden den Kunden Monat für Monat Anteile an bereits bestehenden und mit Sachvermögen aufgebauten G...

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