Leitsatz (amtlich)

Das in § 56 Abs. 1 Satz 5 Rundfunkstaatsvertrag geregelte Verbot der mit einer Gegendarstellung unmittelbar verknüpften Erwiderung eines Anbieters von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten ist verfassungsgemäß.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 10.05.2011; Aktenzeichen 27 O 263/11)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 10.5.2011 verkündete Urteil des LG Berlin - 27 O 263/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die gem. § 511 ZPO statthafte Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig sowie form- und fristgerecht i.S.d. §§ 517, 519 ZPO eingelegt worden. Die Berufung ist aber unbegründet, denn das LG hat die Antragstellerin zu Recht zur Veröffentlichung der im Tenor des angegriffenen Urteils enthaltenen Gegendarstellung auf ihrer Internetseite ohne die in der Berufungsbegründung wiedergegebene Erwiderung auf die Gegendarstellung verurteilt. Das Verhalten der Antragsgegnerin stellt einen Verstoß gegen § 56 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 RStV dar. Diese Vorschrift verletzt nicht Grundrechte der Antragsgegnerin. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Vorschrift verfassungskonform ausgelegt werden muss.

Durch § 56 Abs. 1 RStV werden zum einen die in Art. 5 GG geschützten Grundrechte der Klägerin nicht verletzt. Die Vorschrift lautet:

1Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, sind verpflichtet, unverzüglich eine Gegendarstellung der Person oder Stelle, die durch eine in ihrem Angebot aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist, ohne Kosten für den Betroffenen in ihr Angebot ohne zusätzliches Abrufentgelt aufzunehmen. 2Die Gegendarstellung ist ohne Einschaltungen und Weglassungen in gleicher Aufmachung wie die Tatsachenbehauptung anzubieten. 3Die Gegendarstellung ist so lange wie die Tatsachenbehauptung in unmittelbarer Verknüpfung mit ihr anzubieten. 4Wird die Tatsachenbehauptung nicht mehr angeboten oder endet das Angebot vor Aufnahme der Gegendarstellung, so ist die Gegendarstellung an vergleichbarer Stelle so lange anzubieten, wie die ursprünglich angebotene Tatsachenbehauptung. 5Eine Erwiderung auf die Gegendarstellung muss sich auf tatsächliche Angaben beschränken und darf nicht unmittelbar mit der Gegendarstellung verknüpft werden.

Sowohl § 56 Abs. 1 RStV in seiner Gesamtheit als auch insbesondere Satz 5 dieser Vorschrift stellen einen Eingriff in den durch Art. 5 GG grundrechtlich geschützten Bereich der Tätigkeit der Antragstellerin dar. Dabei kann offen bleiben, ob sich die Antragstellerin auf die Rundfunkfreiheit oder die Pressefreiheit i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG stützen kann. Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit gewährleistet das Recht, Art und Inhalt der Rundfunksendungen zu bestimmen. Unabhängig von dem Inhalt der Gegendarstellung wird es bereits - wenn auch nur unwesentlich - durch den Umstand beeinträchtigt, dass der Rundfunk gesetzlich verpflichtet wird, eine Gegendarstellung zu senden. Inhaltlich kann eine Gegendarstellung der Freiheit des Rundfunks zuwiderlaufen, wenn sie nicht der Aufgabe des Rundfunks entspricht, umfassend und wahrheitsgemäß zu unterrichten(vgl. BVerfG NJW 1983, 1179 [1180]). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt ebenso die Pressefreiheit. Der Schutz umfasst die Pressetätigkeit in sämtlichen Aspekten. In seinem Zentrum steht die Freiheit der Gründung und Gestaltung von Presseerzeugnissen. Die Gestaltungsfreiheit wird sowohl in inhaltlicher als auch in formaler Hinsicht gewährleistet. Zur inhaltlichen Gestaltungsfreiheit gehört die Bestimmung, welche Themen behandelt und welche Beiträge in eine Ausgabe aufgenommen werden sollen. Zur formalen Gestaltungsfreiheit gehört die Entscheidung über die äußere Darbietung der Beiträge sowie ihre Platzierung innerhalb der Ausgabe. Die Verpflichtung zum Abdruck von Gegendarstellungen in einer näher bestimmten Aufmachung beeinträchtigt daher die Herausgeber von Presseerzeugnissen in ihrem Grundrecht der Pressefreiheit (BVerfG NJW 1998, 1381 [1382]). In gleicher Weise werden Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten durch die Verpflichtung zum Veröffentlichung von Gegendarstellungen in ihrem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Grundrecht beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung weist sowohl Bezüge zur Rundfunkfreiheit wie auch zur Pressefreiheit auf, denn die Anbieter von Telemedien verbreiten ihre journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote sowohl - wie der Rundfunk - in nicht stofflich gebundener Form als auch - wie die Presse - in textlicher Gestalt. Daneben stellt das in § 56 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 RStV aufgestellte Verbot, eine Erwiderung auf die Gegendarstellung unmittelbar mit dieser zu verknüpfen, einen weiteren, selbständigen und gewichtigen Eingriff in das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschütz...

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