Leitsatz (amtlich)

1. Die in einem Dienstvertrag vereinbarte Verpflichtung des Dienstberechtigten, dem Dienstverpflichteten vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB Gelegenheit zur persönlichen Stellungnahme zu geben, ist wirksam, da sie keine unzulässige Einschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung zum Gegenstand hat. Die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

2. Liegen erhebliche Anknüpfungspunkte für einen wichtigen Grund zur Kündigung vor, ist der Dienstberechtigte zwar nicht verpflichtet, ohne genügende Vorprüfung voreilig zu kündigen; er muss aber auch bei einem schwer zuverlässig zu beurteilenden Sachverhalt alle erforderlichen Überprüfungen zügig durchführen, um die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB zu wahren.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 03.07.2002; Aktenzeichen 2 O 358/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 3.7.2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 2 des LG Berlin geändert:

Es wird festgestellt, dass der Dienstvertrag der Parteien v. 3./15.5.1991 nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 27.6.2001 beendet worden ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,2-fachen des Betrages abwenden, der aufgrund dieses Urteils vollstreckt werden kann, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,2-fachen des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Auf die tatsächlichen Feststellungen und Anträge im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Das LG hat die Abweisung der Klage wie Folgt begründet: Die innerhalb der Frist des § 4 KSchG erhobene Klage sei unbegründet, da die Beklagte das Dienstverhältnis wirksam gekündigt habe. Die unter Beteiligung der zuständigen Organe der Beklagten - und zwar Kredit- und Arbeitsausschuss sowie Aufsichtsrat - ausgesprochene Kündigung genüge den formellen Anforderungen; eine Anhörung des Klägers sei entgegen der anders lautenden Regelung in § 2 Abs. 2 des Dienstvertrages nicht erforderlich gewesen, da es sich hierbei um eine unzulässige Beschränkung des Kündigungsrechts der Beklagten handeln würde. Ein wichtiger Grund zur Kündigung sei in einem - vom Kläger mit zu verantwortenden - nicht ausreichenden Risikomanagement der Beklagten zu sehen; die vom Vorstand getroffenen Maßnahmen hätten ausweislich eines Berichts der K.D.T.-Gesellschaft AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: K.) vom 13.6.2001 und deren Jahresabschlussbericht für 2000 vom 13.7.2001 nicht den gesetzlichen Anforderungen an ein Risikofrüherkennungssystem in Ansehung der §§ 91 Abs. 2 AktG, 25a KWG entsprochen, was u.a. auf eine veraltete Datensicherung und -verarbeitung zurückzuführen sei. Auch das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem A.-Engagement stelle unter Berücksichtigung eines Revisionsberichts der Beklagten vom 8.8.1997 einen wichtigen Grund zur Kündigung dar, weil er es an einer Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer und einer ständigen Überwachung der Kredite habe fehlen lassen; der Kläger habe - als damaliges Vorstandsmitglied - zu verantworten, dass das in einzelne Kredite zerstückelte Kreditengagement im Laufe der Zeit eskaliert sei und zur Überbürdung des unternehmerischen Risikos der Kreditnehmer auf die Beklagte geführt habe. Eine entsprechende Pflichtvergessenheit sei dem Kläger auch im Rahmen der Kreditvergabe an die Einkaufscenter M. GbR anzulasten, was aus einem Prüfungsvermerk der Beklagten vom 28.2.2001 hervorgehe, der eine vorzeitige Darlehensvalutierung konstatiere. Auch habe der Kläger eine unzulässige Schuldhaftentlassung von 31 Gesellschaftern der GbR zu verantworten. Mit Blick auf eine zurzeit der Kündigungserklärung noch währende Laufzeit des Dienstvertrages von einem Jahr falle eine Abwägung aller schutzwerten Interessen zu Lasten des Klägers aus. Indes habe die Beklagte nur hinsichtlich des mangelhaften Risikomanagements die Frist des § 626 Abs. 2 BGB - die erst ab Zugang des K.-Berichts vom 13.6.2001 zu laufen begonnen habe - eingehalten. Demgegenüber habe die Beklagte bereits durch den Revisionsbericht vom 8.8.1997, der dem Aufsichtsrat im März 2001 bekannt gewesen sei, Kenntnis vom Fehlverhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem A.-Engagement gehabt; der Prüfungsbericht der F. & Partner Wirtschaftsprüfergesellschaft vom 24.9.2001 zeige insoweit keine neuen Erkenntnisse auf, zumal Gründe für die erst später veranlassten weiteren Ermittlungen nicht erkennbar seien. Entsprechend verhalte es sich mit dem Fehlverhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Kreditvergabe an die Einkaufscenter M. GbR, da dieses bereits aus dem Prüfungsvermerk vom 28.2.2001 hervorgehe; soweit der Revisionsbericht der Beklagten vom 24.7.2001 weitere Informationen enthalte, sei auch hier kein Grund für die Dauer des in Anspruch genommenen Zeitraums ersichtlich.

Gegen das ihm am 9.7.2002 z...

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