Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 08.11.2017; Aktenzeichen (561) 232 AR 7/17 Ns (10/17))

 

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. November 2017 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

In Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Auf die auf "das Strafmaß" beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht das Urteil "dahin abgeändert, dass der Angeklagte im Rechtsfolgenausspruch zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird". Einen Ausspruch zu der vom Amtsgericht festgesetzten Sperre enthält das Berufungsurteil nicht. Die Bewährungszeit ist auf fünf Jahre festgesetzt und dem Angeklagten ist ein Bewährungshelfer beigeordnet worden. Ferner ist ihm die Auflage erteilt worden, 2400 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die, wie die auf die hierauf anwendbaren Grundsätze gestützte Auslegung des Rechtsmittels ergibt (vgl. Grundsatzentscheidung des BGH in NJW 2001, 3134; Senat NZV 2002, 240 und Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 3 Ss 107/15 -), auf den gesamten Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge materiellen Rechts Erfolg.

Mit Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass gegen den Angeklagten keine Sperrfrist verhängt und Strafaussetzung zur Bewährung gewährt wurde.

1. Zur Überprüfung steht der gesamte Rechtsfolgenausspruch. Die Entscheidung des Amtsgerichts über die Sperrfrist ist nicht rechtskräftig geworden, denn der Angeklagte konnte sie nicht wirksam von seiner Berufung ausnehmen.

a) Allerdings hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger erklärt, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil auf "das Strafmaß" zu beschränken, und der Verteidiger hat in der Berufungshauptverhandlung keinen Antrag zur vom Amtsgericht verhängten Sperrfrist gestellt. Die Sperrfrist ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung und keine Strafe im Rechtssinne, so dass bereits rechtstechnisch im Raum steht, dass der Verteidiger die Sperrfrist von der Berufung ausgenommen wissen wollte (vgl. OLG Jena OLGSt StPO § 327 Nr. 2). Dass er in der Hauptverhandlung keinen Antrag zur Sperrfrist gestellt hat, spricht gleichfalls dafür (§ 300 StPO).

b) Jedoch war der Angeklagte aus Rechtsgründen an einer solchen Beschränkung des Rechtsmittels gehindert. Zwar ist eine Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der Sperrfrist nicht schlechterdings ausgeschlossen (vgl. BGH NStZ 1992, 586; Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 3 Ss 107/15 -; Paul in Karlsruher Kommentar, StPO 7. Aufl. § 318 Rn. 8a mwN). Eine wirksame Beschränkung setzt aber voraus, dass die Gründe der Sperrfristanordnung selbständig beurteilt werden können und nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit der Hauptstrafe stehen (Senat aaO.; NZV 2002, 240; BGH, NJW 2001, 3134). Grundlage für die Beurteilung, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist grundsätzlich das angefochtene Urteil; andere, im Urteil nicht erwähnte Umstände bleiben bei der Beurteilung ohne Berücksichtigung (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 3 Ss 107/15 -; OLG Dresden NStZ-RR 2012, 289, 290 zu § 47 Abs. 1 StGB).

Hier gibt es indes die Besonderheit, dass das angefochtene Urteil für die festgesetzte Sperrfrist gar keine Begründung enthält. Somit konnte weder die Berufungskammer noch kann der Senat anhand des erstinstanzlichen Urteils prüfen, ob die Gründe, die der Amtsrichterin Anlass gaben, eine Sperrfrist festzusetzen, in einem inneren Zusammenhang mit den Gründen für die Hauptstrafe stehen. Abgesehen davon, dass ein solcher Zusammenhang bei den hier ersichtlich angenommenen charakterlichen Mängeln objektiv naheliegt (und damit nach einer verbreiteten Ansicht schon deshalb ausscheidet [Streitstand vom OLG Frankfurt instruktiv dargestellt in NZV 2002 382]), war die Beschränkung der Berufung auf die Hauptstrafe mithin schon mangels den Maßregelausspruch begründender Ausführungen im Urteil unwirksam.

2. Das Landgericht hat in rechtsfehlerhafter Weise davon abgesehen, gegen den Angeklagten eine Sperrfrist nach §§ 69, 69a StGB zu verhängen.

a) Da der Angeklagte die Sperrfrist - wie unter 1. dargelegt - aus Rechtsgründen nicht vom Angriff seines Rechtsmittels ausnehmen konnte, wäre hierüber zu entscheiden gewesen.

b) In der Sache gilt: Bei Straftaten, die nicht im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthalten sind, bedarf es zur Prüfung, ob der Täter ungeeignet im Sinne von § 69 Abs. 1 StGB ist, einer von de...

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