Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 16.03.2015; Aktenzeichen 3 O 159/13)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.07.2018; Aktenzeichen VI ZR 263/17)

 

Tenor

1. Das am 16.3.2015 verkündete Urteil der Zivilkammer 3 des LG Berlin - 3 O 159/13 - wird geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen, einschließlich der Kosten der Nebenintervention, hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung der Beklagte bzw. der Streithelfer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend, der als Verwaltungsrat der in Deutschland tätigen S.AG - einer Gesellschaft schweizerischen Rechts - tätig war (im Folgendem: S.). Die S.schloss am 10.12.2010 mit dem Kläger einen als "Kauf- und Abtretungsvertrag" bezeichneten Vertrag, wonach die S.zwei "gebrauchte" Lebensversicherungen des Klägers bei der in M.geschäftsansässigen A.Versicherung kaufte, mit dem Ziel, diese Verträge zu kündigen und die daraufhin von dem Versicherer ausbezahlten Rückkaufswerte zu vereinnahmen. Als Gegenleistung sollte der Kläger monatliche Zahlungen der S.erhalten, deren Höhe in gewissem Umfang von den von der S.vereinnahmten Rückkaufszahlungen zuzüglich eines bestimmten Zinssatzes abhängig sein sollte. In Bezug auf diese Zahlungsansprüche des Klägers waren in den von der S.verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Vertrag vorgesehen, dass im Fall einer wirtschaftlichen Krise der S.der als "Anleger" bezeichnete Verkäufer der Versicherungen hinter anderen Gläubigern der S.zurücktrete (im Folgenden: Rangrücktritt). Verträge dieser Art, die die S.im Geschäftsverkehr unter der Bezeichnung "cashselect" bewarb, schloss die S.auch mit vielen anderen Interessenten im streitgegenständlichen Zeitraum. Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.9.2010 hatte sie bei der B.(im Folgenden: B.) angefragt, ob das Geschäftsmodell, das sie in dem Schreiben als "Produkt 1" bezeichnete, der Erlaubnispflicht des § 32 Abs. 1 KWG unterliege, und hatte der B.die diesbezüglichen Vertragsunterlagen übersandt. Mit Schreiben vom 10.1.2011 verneinte die B.die ihr gestellte Frage mit der Begründung, dass wegen des vorgesehenen Rangrücktritts das Tatbestandsmerkmal "unbedingt" in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG nicht erfüllt sei (Anlage B7, Bl. II Bl. 25 d.A.). Zur Frage der AGB-rechtlichen Wirksamkeit des Rangrücktritts und deren etwaigen Relevanz für das Eingreifen der genannten Vorschrift verhielt sich das Schreiben nicht. Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das vom Kläger angerufene LG Berlin hat den Beklagten mit Urteil vom 16.3.2015 zur Zahlung von 6.000,82 EUR nebst Zinsen verurteilt und den übrigen, überwiegenden Teil der Klage abgewiesen. Zur Begründung führt das LG im Wesentlichen aus, dass zum einen § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 2. Alt. KWG mit dem Tatbestandsmerkmal "Annahme fremde Gelder" auch die Annahme fremder Lebensversicherungen erfasse, dass zum anderen das Tatbestandsmerkmal "unbedingt" - entgegen dem o.g. Schreiben der B.- vorliegend erfüllt sei, weil der Rangrücktritt nicht AGB-wirksam sei, und dass schließlich kein vermeidbarer Verbotsirrtum der S.vorliege, weil die S.die AGB-Widrigkeit des Rangrücktrittes hätte erkennen müssen. Das Urteil ist dem Beklagten am 8.4.2015 zugestellt worden. Der Beklagte hat am 9.4.2015 Berufung gegen das Urteil bei Gericht eingereicht. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 8.7.2015 hat die Beklagte an diesem Tage ihre Berufungsbegründung bei Gericht eingereicht.

Der Berufungskläger beantragt, unter Abänderung des am 16.3.2015 verkündeten Urteils des LG Berlin, Az. 3 O 159/13, die Klage abzuweisen.

Nachdem der Berufungsbeklagte seine in zweiter Instanz klageerweiternd angekündigten Anträge zu 4. und 5. vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, beantragt er nur noch, die Berufung zurückzuweisen.

Der Berufungskläger verfolgt seine in erster Instanz eingenommenen Standpunkte in zweiter Instanz weiter, wobei er u.a. vorträgt, dass entgegen der Auffassung des LG Berlin nicht ebendieses zur Entscheidung erstinstanzlich berufen gewesen sei, sondern dasjenige LG, in welchem der Lebensversicherer seinen Geschäftssitz hat (Bd. II Bl. 3 d.A.). Zusätzlich macht der Berufungsbeklagte in zweiter Instanz geltend, dass auch ein Verstoß der S.gegen das RDG zu einer Schadensersatzhaftung führen könne (Bd. II Bl. 82 f. d.A.).

II.1. Die Berufung des Beklagten hat in vollem Umfang Erfolg.

Hierzu im Einzelnen:

a. Die Berufung ist zulässig.

Denn sie ist insbesondere statthaft und wurde form- und fristgerecht eingereicht sowie begründet (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO).

b. Die Berufung ist auch begründet.

aa. ...

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