Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentliche Hand als Auftraggeber

 

Leitsatz (amtlich)

Die öffentliche Hand ist nicht berechtigt, durch allgemeine Geschäftsbedingungen in einem Bauvertrag die Sicherheitsleistung auf eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern zu beschränken, wenn sie sich durch ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen am Wohnungsbau beteiligt.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 03.07.2003; Aktenzeichen 21 O 4/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin, wird das am 3.7.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des LG Berlin - 21 O 4/03 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, die Gewährleistungsbürgschaft Nr. ... über 987.000 DM an die Z.K. und K.-AG, Z.A., Frankfurt/M. herauszugeben.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 83.500 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

A. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz, der dort gestellten Anträge, des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil der Zivilkammer 21 des LG Berlin Bezug genommen, das der Klägerin am 25.7.2003 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat dagegen am 22.8.2003 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.10.2003 am 23.10.2003 begründet.

Die Klägerin trägt vor: Die zwischen ihr und der Wohnungsbaugesellschaft L. mbH in Ziff. 17 der zusätzlichen Vertragsbedingungen vereinbarte Gewährleistungsbürgschaft sei wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam. An diesem Ergebnis ändere auch nichts die Entscheidung des BGH vom 10.4.2003 - VII ZR 314/01 - auf die das LG sein klageabweisendes Urteil zu Unrecht gestützt habe. Diesem Urteil habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. Außerdem sei das angefochtene Urteil verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das LG es unterlassen habe, auf die Stellung eines Hilfsantrags zur Verurteilung der Beklagten, auf die Geltendmachung der Bürgschaft durch erstes Anfordern zu verzichten, hinzuwirken.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht ergänzend geltend: Sämtliche Gesellschaftsanteile der Wohnungsbaugesellschaft L.mbH würden vom Land Berlin gehalten. Der Bauvertrag sei daher mit einem öffentlichen Auftraggeber geschlossen worden, auf den die Grundsätze zur Wirksamkeit der Vereinbarung einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern durch allgemeine Geschäftsbedingungen keine Anwendung fänden. Aus dem Festlegungsprotokoll zwischen der Klägerin und der Wohnungsbaugesellschaft L. mbH vom 15.11.1994 und aus dem Ergebnisprotokoll der Besprechung vom 9.8.1994 folge zudem, dass es sich bei der streitigen Ziff. 17 der zusätzlichen Vertragsbedingungen nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Sie - die Beklagte - habe durch Schreiben vom 29.7.2003 mitgeteilt, die erhaltene Gewährleistungsbürgschaft nicht auf erstes Anfordern geltend zu machen. Nach wie vor bestünden erhebliche Mängel, deren Beseitigung mit einem Kostenaufwand von 268.447 Euro verbunden seien.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und wegen der im Berufungsrechtszug gestellten Anträge auf die Sitzungsniederschrift vom 23.4.2004 Bezug genommen.

B. Auf das streitige Schuldverhältnis sind gem. Art. 229 § 5 EGBGB die vor dem 1.1.2002 geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und des AGB-Gesetzes (AGBG) anzuwenden. Die zitierten Vorschriften des BGB und des AGBG beziehen sich daher auf das bis zum 31.12.2001 geltende Recht.

I. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist begründet. Entgegen der Ansicht des LG steht ihr ein Anspruch auf Herausgabe der noch im Streit befindlichen Urkunde über die Gewährleistungsbürgschaft vom 6.6.1997 aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Die Wohnungsbaugesellschaft L. mbH (im Folgenden: Zedentin) hat die Bürgschaft ohne Rechtsgrund erlangt. Diesen Einwand muss sich die Beklagte gem. § 401 BGB entgegenhalten lassen.

1. Die Vereinbarung in Ziff. 17. 3 der zusätzlichen Vertragsbedingungen der Zedentin verstößt nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung gegen § 9 AGBG. Der BGH hat in seinem Urteil (BGH, Urt. v. 22.11.2001 - VII ZR 208/00, MDR 2002, 332 = BGHReport 2002, 273 = NJW 2002, 894) seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und ausgeführt, dass eine Bestimmung in den AGB eines Bauvertrags, wonach der Besteller nach Abnahme des Bauwerks 5 % der Auftragssumme für die Dauer der fünfjährigen Gewährleistungsfrist als Sicherheit einbehalten darf, den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, sofern dem Auftragnehmer kein angemessener Ausgleich zugestanden wird. Das dem Auftragnehmer eingeräumte Recht, den Einbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen...

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