Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung der Wasserversorgung nach fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzugs keine verbotene Eigenmacht; Einstellen von Nebenleistungen durch den Vermieter

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 06.08.1998; Aktenzeichen 12 O 519/98)

 

Tenor

Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das am 6.8.1998 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des LG Berlin geändert:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden den Verfügungsklägern auferlegt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, weil die Verfügungskläger keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung haben.

Entgegen der Auffassung des LG ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus § 862 BGB. Denn die Unterbrechung der Wasserversorgung stellt jedenfalls nach Beendigung eines Gewerbemietverhältnisses durch fristlose Kündigung seitens des Vermieters wegen Zahlungsverzuges des Mieters mit dem Mietzins und den Nebenkostenvorauszahlungen keine Besitzstörung i.S.v. § 858 BGB dar.

Es ist zu unterscheiden zwischen dem Besitz des Mieters an der Mietsache und dem Gebrauch der Mietsache, den der Vermieter dem Mieter aufgrund des Mietvertrages nach § 536 BGB schuldet. Im Rahmen der Gebrauchsgewährung nach § 536 BGB ist der Vermieter auch zur Erbringung der vereinbarten Nebenleistungen (Heizung, Wasser) verpflichtet, wofür der Mieter die vereinbarten Nebenkostenvorschüsse zu zahlen hat. Nach Beendigung der Mietverhältnisses entfällt die Verpflichtung des Vermieters zur Gebrauchsgewährung nach § 536 BGB. Damit entfällt auch die Verpflichtung des Vermieters zur Erbringung der im Mietvertrag vereinbarten Nebenleistungen. Ob dies bei Wohnraummietverhältnissen innerhalb der Räumungsfrist anders zu bewerten ist, kann dahingestellt bleiben. Nach Beendigung des Mietverhältnisses kann der Vermieter also grundsätzlich die Erbringung der Nebenleistungen einstellen. Dadurch wird der Mieter zwar in dem Gebrauch der Mietsache, zu der er nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr berechtigt ist, beeinträchtigt, sein Besitz an der Mietsache wird aber damit nicht gestört. Denn Besitz i.S.v. § 858 BGB ist die tatsächliche Sachherrschaft. Darin wird der Mieter durch die Einstellung der Nebenleistungen (hier die Abstellung des Frischwassers) nicht gestört. Die Einstellung von Nebenleistungen ist keine Einwirkung, sondern eine bloße Gebrauchshinderung ohne Eingriff in die Sachherrschaft.

Der Senat vermag daher der überwiegend vertretenen Meinung, dass die Unterbrechung der Frischwasserzufuhr eine Besitzstörung sei (LG Heilbronn WuM 1965, 46; OLG Hamburg WuM 1978, 169; Beuermann, GE 1996, 1396 [1398]) nicht zu folgen. Er schließt sich vielmehr der von Martius in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. III.A., Rz. 1152, vertretenen Auffassung an, dass das Abstellen von Strom, Heizung und Wasser keine verbotene, den Besitz des Mieters an den Räumen störende Eigenmacht des Vermieters i.S.v. § 558 BGB ist. Von der Gegenmeinung wird nicht klar genug zwischen dem Besitz i.S.v. § 854 BGB und dem Mietgebrauch i.S.v. § 536 BGB unterschieden. Durch die Einstellung von Nebenleistungen wird dem (ehemaligen) Mieter nichts genommen, was er bereits hat, sondern es werden keine neuen Leistungen mehr erbracht (Schmid, Die Erbringung von Nebenleistungen durch den Vermieter, DWW 1986, 140 [142]), auf die der (ehemalige) Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses keinen Anspruch mehr hat. Die Mietsache wird lediglich nach Beendigung des Mietverhältnisses mangelhaft. Der ehemalige Mieter hat aber mangels eines bestehenden Mietvertrages zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch mehr auf Mängelbeseitigung, selbst wenn der Mangel durch Verschulden des Vermieters entstanden ist. Nach § 536 BGB ist der Vermieter nur "während der Mietzeit" verpflichtet, die Sache in vertragsmäßigem Zustand zu erhalten.

Dahin gestellt bleiben kann, ob die Rechtslage nach § 242 BGB anders zu beurteilen wäre, wenn der (ehemalige) Vermieter die Einstellung von Nebenleistungen als Druckmittel zur Bewirkung der Räumung oder Zahlung der Mietschulden einsetzen würde. Denn etwas Derartiges ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Der Verfügungsbeklagte macht vielmehr zu Recht geltend, dass es ihm nicht zuzumuten sei, zu Lasten der Konkursmasse und der Konkursgläubiger weiterhin Nebenleistungen an die Verfügungskläger zu erbringen, die er möglicherweise wegen Vermögenslosigkeit der sich in Zahlungsverzug befindlichen Verfügungskläger nicht ersetzt erhält (vgl. von Martius in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III.A. Rz. 1152).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 545 Abs. 2 S. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1209693

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