Leitsatz (amtlich)

Der Schädiger hat dem Geschädigten die Kosten des Sachverständigengutachtens zur Schadensfeststellung regelmäßig auch dann zu ersetzen, wenn dieses objektiv ungeeignet ist, ohne dass der Geschädigte dies zu vertreten hat.

Der Kläger, der auf sog. Neufahrzeugbasis abrechnen will, ist nicht gehalten, zuvor das beschädigte Fahrzeug dem gegnerischen Haftpflichtversicherer anzudienen.

Wird ein neu erworbenes Motorrad vor Benutzung nach Wünschen des Käufers durch Austausch verschiedener Teile umgebaut, ergibt sich die Werterhöhung aus der Differenz des Wertes zwischen dem ausgetauschten Teil, der wirtschaftlich beim Käufer verbleibt, und dem stattdessen neu eingebauten Fahrzeugteil.

Es ist daher nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO), wenn ein Sachverständiger die Werterhöhung infolge des Umbaus auf 50 % der Umbaukosten bemisst.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 11.12.2003; Aktenzeichen 17 O 422/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11.12.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 17 des LG Berlin - 17 O 422/02 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.734,94 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 83 % und die Beklagten 17 % zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger 72 % und den Beklagten 28 % zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat nur hinsichtlich der geltend gemachten Sachverständigenkosten Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Zutreffend beanstandet der Kläger, dass das LG ihm die Kosten für das Gutachten des Sachverständigen ... i.H.v. 1.002,94 Euro nicht zugesprochen hat. Grundsätzlich hat der Schädiger dem Geschädigten die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind, und zwar in der Regel auch dann, wenn das Gutachten objektiv ungeeignet ist (KG DAR 2003, 318; OLG Hamm NZV 1999, 377; NZV 2001, 433; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 249 Rz. 40). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschädigte die Unbrauchbarkeit des Sachverständigengutachtens zu vertreten hat, etwa wenn er ggü. seinem Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und der Sachverständige deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt (KG, Urt. v. 13.11.2000 - 12 U 4906/99), oder wenn ihn ein Auswahlverschulden trifft (OLG Hamm v. 14.10.1992 - 13 U 141/92, OLGReport Hamm 1993, 4 = NZV 1993, 228; v. 19.5.1994 - 5 U 127/93, MDR 1994, 1192 = NZV 1994, 393; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 12 StVG Rz. 50). Derartige Umstände, die es rechtfertigen würden, dem Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten zu versagen, sind hier weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Mithin kann der Kläger über den vom LG zugesprochenen Betrag hinaus weitere 1.002,94 Euro beanspruchen.

2. Ohne Erfolg beanstandet der Kläger demgegenüber, dass das LG auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens des Sachverständigen den Wiederbeschaffungswert des klägerischen Motorrades mit lediglich 11.000 Euro in Ansatz gebracht hat.

aa) Allerdings kann dem LG nicht gefolgt werden, eine Abrechnung auf Neufahrzeugbasis käme im vorliegenden Fall grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Schadensabrechnung auf Neufahrzeugbasis setzt voraus, dass das Kraftfahrzeug eine erhebliche Beschädigung erlitten hat. Sie ist grundsätzlich bis zu einer Fahrleistung von 1.000 km und einer Zulassungsdauer von einem Monat möglich (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 249 Rz. 22 m.w.N.). Hier war das Motorrad des Klägers zum Unfallzeitpunkt nur etwa zwei Wochen zugelassen und hatte eine Laufleistung von lediglich 311 km hinter sich gebracht. Auch waren die Beschädigungen durchaus erheblich. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige ... hat die Reparaturkosten mit immerhin 11.523,63 Euro angegeben. Die Auffassung des LG, der Kläger hätte, um auf Neufahrzeugbasis abrechnen zu dürfen, der Beklagten zu 1) das beschädigte Fahrzeug andienen müssen, findet, soweit ersichtlich, weder in der bisher veröffentlichten Rechtsprechung noch im Schrifttum eine Stütze.

bb) Gleichwohl hat das LG auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen ... v. 4.11.2003 den Wiederbeschaffungswert des Motorrades des Klägers zutreffend mit 11.000 Euro angesetzt. Zwar hat der Sachverständige auf S. 7 seines Gutachtens ausgeführt, vom Fahrzeugwert sowie von den Umbaukosten sei im Hinblick auf den Besitzeintrag ein Abzug i.H.v. 10 % vorzunehmen. Dem kann, wie oben ausgeführt, aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Aus den weiteren Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich jedoch, dass er bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes von 11.000 Euro den genannten Abzug von 10 % tatsächlich nicht vorgenommen hat. Vielmehr hat er den Fahrzeuggrundwert von 8....

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