Leitsatz (amtlich)

1. Die Pflicht des Bauträgers zur Übergabe einer bezugsfertigen Wohneinheit umfasst zwei Teile: Die Herstellungspflicht - insoweit ist der Bauträger vorleistungspflichtig - und die Übergabepflicht, die vom Bauträger nur Zug um Zug gegen Zahlung der Bezugsfertigkeitsrate zu erfüllen ist.

2. Hat ein Bauträger die Wohneinheit bezugsfertig hergestellt, befindet er sich mit der Übergabe nicht in Verzug, solange der Erwerber die Zug um Zug gegen Übergabe geschuldeten Zahlungen nicht in Annahmeverzug begründender Form anbietet.

3. Ein Bauträger hat abnahmereif geleistet, wenn seine Bauleistung im Wesentlichen vertragsgerecht ist; dass der Bauträger dies dem Erwerber auch nachweist, ist für die Abnahmereife grundsätzlich nicht erforderlich.

4. Zur Ermittlung des Schadensersatzanspruchs des Erwerbers bei Verzug des Bauträgers mit der Übergabe der Wohneinheit.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.02.2017; Aktenzeichen 31 O 192/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 22. Februar 2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.620,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 9.996,85 EUR seit dem 11. April 2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten im Übrigen und die Berufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits über beide Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

4. Dieses und fortan auch das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Bauträgervertrag auf Schadensersatz wegen der verzögerten Übergabe einer Eigentumswohnung in Anspruch.

Mit notariellem Vertrag vom 8. November 2011 (Anlage K 1, im Folgenden auch: Bauträgervertrag) kaufte die Klägerin von der Beklagten einen Miteigentumsanteil von 530/10.000 an dem Grundstück G.., ... verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan der Teilungserklärung vom 22. August 2011 mit Nr. 24 bezeichneten Wohnung (im Folgenden: "Wohnung 24"). Daneben kaufte die Klägerin das Sondereigentum an den Stellplätzen Nr. 31 und 50 in der zu der Anlage gehörenden Tiefgarage mit den dazu gehörenden Miteigentumsanteilen von jeweils 24/10.000 (Wohnung 24 und die Stellplätze im Folgenden auch als "Kaufgegenstand" oder "Vertragsobjekt" bezeichnet).

In Abschnitt III. des Vertrages verpflichtete sich die Beklagte zur Herstellung des Kaufgegenstands gemäß einer in Bezug genommenen Baubeschreibung. Ferner heißt es im Abschnitt III, wobei die Beklagte als "Verkäufer" und die Klägerin als "Käufer" bezeichnet werden:

"4. Fertigstellung

Der Verkäufer sichert zu, den Kaufgegenstand ... bis spätestens 31. März 2012 bezugsfertig herzustellen, sofern die Sonderwünsche und etwaige Grundrissänderungen bis zum 30. 11.2011 festgelegt sind.

Die vollständige Fertigstellung erfolgt bis zum 30. April 2012. (...)

5. Vertragsstrafe

Hat der Verkäufer die Fristüberschreitung - bezogen auf die Bezugsfertigkeit - zu vertreten, so hat er dem Käufer eine Vertragsstrafe von 10,- EUR/m2 je Monat zu zahlen, wobei die Berechnung tageweise erfolgt. Im Übrigen verbleibt es bei den gesetzlichen Bestimmungen."

Als Kaufpreis für die Wohnung 24 vereinbarten die Parteien 671.365,- EUR, für die beiden Tiefgaragenstellplätze jeweils 28.500,- EUR, insgesamt mithin 728.365,- EUR. 95 % des Kaufpreises sollten in den folgenden Raten fällig werden (vgl. V.2.1 des Vertrages, Anlage K 1):

25 % nach Beginn der Erdarbeiten (1. Rate)

28 % nach Rohbaufertigstellung, einschließlich Zimmererarbeiten (2. Rate)

12,6 % für die Herstellung der Dachflächen und Dachrinnen sowie für den Fenstereinbau einschließlich der Verglasung (3. Rate)

10,5 % für die Rohinstallation der Heizungs-, Sanitär- und Elektroanlagen sowie für den Innenputz, ausgenommen Beiputzarbeiten (4. Rate)

4,9 % für den Estrich sowie für die Fliesenarbeiten im Sanitärbereich (5. Rate)

10,5 % nach Bezugsfertigkeit und Zug um Zug gegen Besitzübergabe sowie für die Fassadenarbeiten (6. Rate)

3,5 % nach vollständiger Fertigstellung (7. Rate).

Weiter heißt es in Abschnitt V.2.1 des Vertrages:

"Der Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % ist zur Zahlung fällig, wenn der Kaufgegenstand (einschließlich Gemeinschaftseigentum) rechtzeitig und ohne wesentliche Mängel (Bezugsfertigkeit) fertig gestellt ist (Abnahmereife). Ist dies nicht der Fall, bestimmt sich die Fälligkeit nach den gesetzlichen Bestimmungen."

In VI.5 des Vertrages heißt es, wobei die Parteien wiederum als Käufer und Verkäufer bezeichnet werden:

"Der Verkäufer ist zur Übergabe verpflichtet, wenn die Abnahme des Sondereigentums durchgeführt ist ...

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