Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 18.10.2005; Aktenzeichen 27 O 421/05)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 18.10.2005 verkündete Urteil des LG Berlin - 27 O 421/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

A. Der Antragsteller wendet sich im Wege eines presserechtlichen Unterlassungsanspruchs gegen die Verbreitung von im Rahmen seiner Festnahme gefertigten (Fernseh-)Bildern.

Die Antragsgegnerin produziert die Sendung "S.T", in deren Ausgabe vom 1.5.2005 ein Bericht über die Festnahme des Antragstellers ausgestrahlt wurde sowie darüber, dass dieser des Rauschgiftschmuggels und des Handels verdächtigt sei und Kopf einer internationalen Bande sein soll, die Drogen aus den Niederlanden nach Deutschland bringe. In diesem Zusammenhang veröffentlichte die Antragsgegnerin eine Filmsequenz, die im Rahmen der Verhaftung des Antragstellers gedreht worden war und in der er auf dem Boden liegend, verletzt und gefesselt sowie umgeben von maskierten Polizeibeamten zu sehen ist.

Am 17.5.2005 hat der Antragsteller eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten die Filmsequenz von der Verhaftung des Antragstellers am 26.4.2005 in Berlin, wie in der S.-T.-Sendung der "P.v.B.-S." vom 1.5.2005 geschehen. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das LG die einstweilige Verfügung durch Urteil vom 18.10.2005 bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das von der Antragsgegnerin mit der Berufung angefochtene Urteil des LG vom 18.10.2005 Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter geltend, entgegen der Ansicht des LG berechtigt gewesen zu sein, über die Verhaftung des Antragstellers in der beanstandeten Weise berichten zu dürften. Über den Antragsteller, der sich in den Medien als "Berliner Unterweltgröße" habe darstellen lassen, habe identifizierend auch in Bild berichtet werden dürfen. Ein Informationsinteresse habe auch an den Umständen seiner Festnahme bestanden. Die Bildberichterstattung über die Festnahme sei auch nicht in unangemessenem Maße entwürdigend gewesen. Unabhängig davon sei der Verbotstenor jedenfalls zu unbestimmt.

Die Antragsgegnerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Berlin vom 18.10.2005 - 27 O 421/05 - die einstweilige Verfügung vom 17.5.2005 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie legt vor allem Umstände dar, die eine identifizierende Bildberichterstattung über den Antragsteller rechtfertigen mögen. Darum geht es vorliegend jedoch nicht entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob die konkreten, im Rahmen der Verhaftung des Antragstellers gedrehten Bilder des Antragstellers ihn zusätzlich in einer von ihm nicht mehr hinnehmbaren Art und Weise beeinträchtigen. Das ist der Fall.

I. Der Antragsteller hat entsprechend § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. §§ 22 f. KUG, 823 BGB und Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin eine weitere Verbreitung der verfahrensgegenständlichen Filmsequenz von der Verhaftung unterlässt.

1. Ohne eine - hier nicht erteilte - Einwilligung des Abgebildeten gem. § 22 KUG dürfen zwar Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte veröffentlicht werden (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG). Auch handelt es sich bei der Verhaftung des Antragstellers um ein zeitgeschichtliches Ereignis. Denn auch Straftaten - und die mit deren Verfolgung im Zusammenhang stehenden Maßnahmen - gehören zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Presse ist (vgl. BVerfGE 35, 202/230 ff. - Lebach; BGH v. 15.11.2005 - VI ZR 286/04, MDR 2006, 631 = BGHReport 2006, 444 = NJW 2006, 599/600 f.; Senat v. 14.9.2004 - 9 U 84/04, KGReport Berlin 2005, 107 = NJW 2004, 3637). Straftäter werden daher jedenfalls dann als relative Personen der Zeitgeschichte angesehen, wenn die Schwere der Tat, die Person des Täters oder besondere Umstände die Straftat deutlich aus dem Kreis der alltäglichen Kriminalität herausragen (vgl. Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8 Rz. 21). Auch wenn der Straftäter nicht geständig, überführt oder verurteilt ist, sondern nur ein Tatverdächtiger, kann er nach den Umständen des Falls eine relative Person der Zeitgeschichte sein und nach den Umständen des Falls - insbesondere in Fällen der Schwer- oder Schwerstkriminalität oder wegen der öffentlichen Stellung des Verdächtigen - eine (identifizierende) Bildberichterstattung zulässig sein (Wenzel/v...

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