Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständiges Berufungsgericht bei Auslandswohnsitz zur Zeit der Klageerhebung. Allgemeiner Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Der im Verfahren vor dem Amtsgericht unangegriffen gebliebene inländische bzw. ausländische Gerichtsstand einer Partei ist im Rechtsmittelverfahren bei der Prüfung der Zuständigkeit zu Grunde zu legen und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen.

 

Normenkette

ZPO §§ 13, 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1-2; GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1b

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 02.12.2003; Aktenzeichen 64 S 319/03)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des LG Berlin, Zivilkammer 64, v. 2.12.2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 21.474,26 EUR.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Wohnraummietverhältnis. Die Klägerin, deren Anschrift in der Klageschrift mit "z.Zt. P., Puerto Plate, Dominikanische Republik" angegeben worden war, war in der ersten Instanz in vollem Umfang unterlegen. In der beim LG eingereichten Berufungsschrift v. 25.8.2003 gab die Klägerin die gleiche Anschrift an, jedoch ohne den Zusatz "z.Zt.". Nachdem die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Berufung fristgerecht begründet hatten, hat das Berufungsgericht unter dem 4.11.2003 darauf hingewiesen, dass es Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung habe, "da diese gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG bei dem KG hätte eingelegt werden müssen." Es hat ferner angefragt, ob die Berufung zurückgenommen werde. Mit Schriftsatz v. 17.11.2003 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärt, sie könnten nicht feststellen, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Zustellung der Klage keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland gehabt hätte. Sie haben darauf verwiesen, dass in der Klageschrift die Anschrift mit dem Zusatz "z.Zt." versehen worden sei, und um eine längere Frist zur Stellungnahme gebeten.

Durch den angefochtenen Beschluss v. 2.12.2003 hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin verworfen und zur Begründung auf die Verfügung v. 4.11.2003 verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 522 Abs. 1 S. 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung für die Klärung der Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG, der durch Art. 1 des ZPO-Reformgesetzes v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) neu gefasst worden ist, zulässig. Die Rechtsbeschwerde ist im Übrigen nach § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auf die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO kommt es nicht an (vgl. BGH, Beschl. v. 4.9.2002 - VIII ZB 23/02, BGHReport 2002, 1113 = MDR 2002, 1446 = NJW 2002, 3783 unter II 1 b).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet und daher zurückzuweisen.

a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unterliegt der angefochtene Beschluss nicht deshalb der Aufhebung, weil er nicht ausreichend begründet wäre (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO). Das Berufungsgericht hat in seinem Verwerfungsbeschluss v. 2.12.2003 ausdrücklich auf den Hinweis v. 4.11.2003 Bezug genommen, in dem auf die Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG verwiesen wird. Dass in dem Hinweis lediglich von Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung gesprochen wird, ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht von Bedeutung. Aus dem Verwerfungsbeschluss wird hinreichend deutlich, dass das Berufungsgericht gerade die in dem Hinweis genannten "Bedenken" zur Begründung seiner Verwerfungsentscheidung herangezogen hat.

b) Der Verwerfungsbeschluss des Berufungsgerichts war auch im Übrigen rechtmäßig. Für die Berufung im vorliegenden Verfahren war nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG das KG zuständig.

Nach dieser Vorschrift ist das OLG zuständig in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereiches des Gerichtsverfassungsgesetzes hatte. Entscheidend für die Frage des Gerichtsstands ist dabei der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit, also regelmäßig der Zustellung der Klageschrift an diese Partei gem. §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO (BGH, Beschl. v. 28.1.2004 - VIII ZB 66/03, BB 2004, 1077). Der allgemeine Gerichtsstand einer natürlichen Person wird nach § 13 ZPO durch ihren Wohnsitz bestimmt. Der Wohnsitz der Klägerin lag zum Zeitpunkt der Klageerhebung in der Dominikanischen Republik. Zutreffend weist zwar die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass die Anschrift der Klägerin in der Dominikanischen Republik in der Klageschrift mit dem Zusatz "z.Zt." versehen ist. Vorliegend ist jedoch nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung einen Wohnsitz im Inland hatte. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, darzulegen, woraus sich ergäbe, dass sie bei Klageerhebung tatsächlich ihren Wohnsitz noch in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Dies hat sie nicht getan. Neben dem Grundsatz der Rechtssicherheit, die eine klare Zuständigkeitsregelung auch für Rechtsmittelverfahren mit Auslandsberührung erfordert, gebietet ferner das Rechtsstaatsprinzip, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Diesem Gebot kann nur dadurch wirksam Rechnung getragen werden, dass im Rechtsmittelverfahren regelmäßig der im Verfahren vor dem AG unangegriffen gebliebene inländische bzw. ausländische Gerichtsstand auch einer Partei zu Grunde gelegt wird und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen ist (BGH, Beschl. v. 28.1.2004 - VIII ZB 66/03, BB 2004, 1077 unter II 2c bb).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1171412

NJW 2004, 3637

NJW-RR 2004, 1505

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