Normenkette

StVG § 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 108/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.02.2004; Aktenzeichen VIII ZR 127/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7.7.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin – 24 O 108/00 – teilweise abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 840,80 Euro nebst Zinsen seit dem 23.3.2000 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 68 % der Gerichtskosten und ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die vollen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) und 27 % der Kosten des Beklagten zu 2) zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Beklagte zu 2) zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin 70 % und dem Beklagten zu 2) 30 % zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Der vom LG festgestellte Sachverhalt rechtfertigt eine Haftung des Beklagten zu 2) (im Folgenden: Beklagter) zu 2/3 und nicht nur, wie das LG angenommen hat, zu 50 %. Demgegenüber sind die Einwendungen der Klägerin zur Schadenshöhe erfolglos.

1. a) Entgegen der Ansicht der Klägerin rechtfertigen die Feststellungen des LG nicht die Annahme, der streitgegenständliche Unfall vom 8.10.1999 stelle für die Klägerin ein „unabwendbares Ereignis” i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG dar. Zutreffend hat es das LG aufgrund der Datenanalyse des Unfalldatenschreibers als erwiesen angesehen, dass am Beklagtenfahrzeug Blaulicht und Martinshorn schon 29,5 Sekunden vor der Kollision eingeschaltet waren. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Aufzeichnung des Unfalldatenschreibers sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Auch hat das LG zu Recht darauf hingewiesen, dass ein längere Zeit vor dem Einfahren eines Sonderrechtsfahrzeugs in die Kreuzung eingeschaltetes Martinshorn von einem aufmerksamen Fahrer wahrgenommen werden kann und muss. Etwas anderes gilt grundsätzlich nur für den – hier nicht vorliegenden – Fall, dass es sich bei dem Einsatzfahrzeug um einen zivilen Streifenwagen handelt, bei dem das Martinshorn nicht auf dem Dach des Fahrzeugs angebracht ist, sondern innerhalb des Motorraums (KG, Urt. v. 12.4. 2001 – 12 U 14/99, KGReport Berlin 2003, 40; Urt. v. 6.1.2003 – 12 U 138/01; Urt. v. 24.2.2003 – 12 U 200/01). Dass die Wahrnehmbarkeit des Martinshorns am Fahrzeug des Beklagten im vorliegenden Fall etwa infolge einer geschlossenen Bebauung am Unfallort oder wegen außerordentlicher Witterungsbedingungen (Sturmböen) nachhaltig beeinträchtigt gewesen wäre, hat die Klägerin weder hinreichend dargetan noch unter Beweis gestellt. Allein der Umstand, dass zum Unfallzeitpunkt gegen 8.30 Uhr ein erhöhtes Verkehrsaufkommen geherrscht haben mag, rechtfertigt noch nicht die Annahme, die Klägerin hätte auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht die Möglichkeit gehabt, das Martinshorn am Fahrzeug des Beklagten rechtzeitig wahrzunehmen. Dagegen spricht auch, dass nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LG auf S. 2 des angefochtenen Urteils Fahrzeuge im Querverkehr auf der K.-Straße (Gegenverkehr der Klägerin) trotz für sie grünem Ampellicht vor der Kreuzung gehalten hatten. Dies lässt sich nur so erklären, dass diese Fahrzeugführer trotz des erhöhten Verkehrsaufkommens das Martinshorn am Fahrzeug des Beklagten wahrgenommen hatten. Gründe, warum allein die Klägerin nicht dazu in der Lage gewesen sein soll, das Martinshorn rechtzeitig wahrzunehmen, sind nicht ersichtlich.

Auch die Berechnungen der Klägerin auf S. 2 der Berufungsschrift führen zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach den vom LG zutreffend getroffenen Feststellungen war das Martinshorn am Fahrzeug des Beklagten nicht erst 1,6 Sekunden vor der Kollision in Betrieb, sondern 29,5 Sekunden.

b) Allerdings kann dem LG nicht darin gefolgt werden, wenn es auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen lediglich eine Haftung des Beklagten zu 50 % annimmt. Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen einem Einsatzfahrzeug, welches unter Inanspruchnahme der Sonderrechte nach §§ 35, 38 StVO in eine durch Rotlicht gesperrte Kreuzung einfährt, ohne dass dessen Fahrer die gebotene Sorgfalt walten lässt und einem Kraftfahrer, der trotz rechtzeitig wahrnehmbaren Blaulichts und Martinshorns das Wegerecht des Einsatzfahrzeuges nicht beachtet, so hängt die Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile vom jeweiligen Einzelfall ab, wobei der Geschwindigkeit des Einsatzfahrzeuges entscheidende Bedeutung beikommt. So trifft den Halter des Einsatzfahrzeuges die volle Haftung, wenn dessen Fahrer während einer Rotphase in eine Kreuzung einfährt, die Ausgangsgeschwindigkeit etwa 69 km/h und die Kollisionsgeschwindigkeit etwa 42 km/h beträgt und Martinshorn sowie Blaulicht schlecht wahrzunehmen waren (KG, Urt. v. 13.10.1988 – 12 U 6020/86, NZV 1989, 192). Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit des Einsatzfahrzeu...

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