Leitsatz (amtlich)

1. Ein befristeter Gewerberaummietvertrag ist gemäß § 550 Satz 1 BGB ordentlich kündbar, wenn aus einem Nachtrag zum Mietvertrag die Vertretung eines Mitmieters nicht eindeutig hervorgeht.

2. An die Darlegung einer Existenzbedrohung des Mieters, deretwegen sich der Vermieter nach Treu und Glauben nicht auf den Formverstoß berufen darf, sind strenge Anforderungen zu stellen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 05.11.2019; Aktenzeichen 91 O 113/18)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 25.05.2022; Aktenzeichen XII ZR 8/22)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 5.11.2019 verkündete Urteil der Zivilkammer 91 des Landgerichts Berlin - 91 O 11/18 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, die auf dem in der Anlage K 1 eingereichten Plan gekennzeichneten Gewerbeflächen in der B. ..., B. ... - ... und F... in ... B. zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in erster und in zweiter Instanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Räumung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 Euro abwenden. Im Übrigen darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 5.11.2019 verkündete Urteil der Zivilkammer 91 des Landgerichts Berlin - 91 O 113/18 -, mit dem ihre Räumungsklage abgewiesen und der Widerklage auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung des Fortbestandes des Mietverhältnisses zwischen den Parteien stattgegeben wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge im ersten Rechtszug wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Zur Begründung trägt sie unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag vor:

Das Mietverhältnis der Parteien sei beendet. Die Klägerin habe das Mietverhältnis wirksam ordentlich, jedenfalls aber wirksam außerordentlich gekündigt.

Das Landgericht bewerte die Ergänzungsvereinbarung vom 19.8.2008 rechtlich falsch und unterlasse es zudem, die von der Klägerin umfangreich zitierte Rechtsprechung zu ähnlich gelagerten Fällen zu beachten und auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Danach müsse sich aus der Vertragsurkunde ergeben, dass der Vertrag von sämtlichen Mietern geschlossen und von ihnen autorisiert wurde. Im Falle der Personenmehrheit müssten dann, wenn ein Mietvertrag nicht von allen Mietern unterzeichnet ist, die vorhandenen Unterschriften deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie auch in Vertretung der nicht unterzeichnenden Vertragsparteien geleistet worden sind; anderenfalls liege ein Schriftformverstoß vor. Hier lasse sich aus der Formulierung "vertreten durch die Geschäftsführerin ..." nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, dass trotz dieses ein Organhandeln herausstellenden Zusatzes eine Vertretung der natürlichen Person U. S. durch die Geschäftsführerin der zweiten Mietvertragspartei gewollt war. Vielmehr sei durch die Formulierung klargestellt worden, dass die Geschäftsführerin der Beklagten ausschließlich für diese auftrat, weil Herr S. als natürliche Person keinen Geschäftsführer hatte. Zudem habe die Geschäftsführerin der Beklagten ihr Tätigwerden ausschließlich für die Beklagte dadurch verdeutlicht, dass sie auf ihrer Unterschrift den Geschäftsstempel der Beklagten aufgebracht habe.

Auch aus dem zweiten Nachtrag ergebe sich nicht das vom Landgericht Angenommene, weil allein die postalische Adressierung dieses Nachtrages an die Beklagte nichts darüber aussagen könne, ob die Beklagte auch den weiteren Mieter vertritt. Auch die weitere Erwägung des Landgerichts, die damalige Vermieterin sei selbst ausweislich des zweiten Nachtrages davon ausgegangen, dass die Beklagte Mieterin ist, trage nicht.

Zudem stelle die beharrliche Zugangsverweigerung durch den Mieter einen wichtigen Grund zur Kündigung des Mietverhältnisses dar. Die vom Landgericht vertretene Auffassung, als milderes Mittel müsse zunächst Klage auf Duldung erhoben werden, sei von der Rechtsprechung für das Wohnraummietrecht entwickelt worden. Das Recht am ungestörten Besitz des Mietobjekts sei im Gewerberaummietrecht wesentlich geringer zu bewerten als im Wohnraummietrecht.

Für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen unwahren Prozessvortrages komme es auch nicht darauf an, ob die Unwahrheit "auf der Hand" liegt, sondern nur, ob tatsächlich unwahr vorgetragen wurde. Dies sei wegen des Beweisangebots der Klägerin einer Beweiserhebung zugänglich gewesen.

Die Klägerin habe die streitgegenständliche Kündigung vom 11.9.2017, für deren Abw...

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