Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährungsfrist für Ansprüche gegen einen Architekten wegen Verletzung seiner Überwachungspflichten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verjährungsfrist für Ansprüche gegen einen Architekten wegen Verletzung seiner Überwachungspflichten beginnt bei Übertragung der Vollarchitektur (Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 HOAI) grundsätzlich erst mit Beendigung der Leistungsphase 9 zu laufen.

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen, nach deren Inhalt die Verjährungsfrist für diese Ansprüche bereits mit Abnahme des Bauwerks zu laufen beginnt, verstoßen gegen § 11 Nr. 10 f. des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen a.F. (AGB-Gesetz) (jetzt: § 309 Nr. 8b ff. BGB).

3. Anderes kann gelten, wenn die Parteien in dem Architektenvertrag die Möglichkeit von Teilabnahmen der Architektenleistungen vereinbart haben, was auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich ist, und die unter Ziff. 2 genannte Klausel in der Weise ausgelegt werden kann, dass die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche gegen den Architekten wegen eines Überwachungsverschuldens im Rahmen seiner Verpflichtung aus § 15 Leistungsphase 8 nach Teilabnahme sämtlicher im Rahmen dieser Leistungsphase erbrachten Architektenleistungen zu laufen beginnt.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 05.09.2002; Aktenzeichen 6 O 230/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das Urteil des LG Berlin vom 5.9.2002 - 6 O 230/01 - wie folgt geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.014,58 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.5.2001 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 53 % und der Beklagte 47 %; von den Kosten des zweiten Rechtszuges tragen der Kläger 41 % und der Beklagte 59 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Für das vorliegende Rechtsverhältnis sind die Rechtsvorschriften des BGB in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung maßgebend. Der Beklagte ist dem Kläger ggü. gem. § 635 BGB a.F. zum Schadensersatz wegen mangelhafter Bauüberwachung als Architekt verpflichtet. Der Anspruch ist nicht verjährt. Die gesetzliche Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 638 BGB a.F.) beginnend mit der Abnahme der geschuldeten Leistung ist nicht abgelaufen. Geschuldete Leistung in diesem Sinne ist bei einem Architektenvertrag mit Vollarchitektur oder - wie im vorliegenden Fall - mit Übertragung der Leistungsphasen 5 bis 9 des § 15 HOAI die Verpflichtung, ein mangelfreies Bauwerk entstehen zu lassen. Von daher ist die Architektenleistung grundsätzlich erst mit Abschluss der Leistungsphase 9 erbracht mit der Folge, dass die Gewährleistungsfrist wegen mangelhafter Architektenleistungen erst kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist wegen mangelhafter Leistungen des Bauunternehmers zu laufen beginnt und bis zu zehn Jahren nach Abnahme des Bauwerks dauern kann (BGH v. 10.2.1994 - VII ZR 20/93, MDR 1994, 480 = NJW 1994, 1276).

An diesem Grundsatz ändern die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien nichts. Soweit nach Ziff. 8 der Allgemeinen Vertragsbedingungen zum Architektenvertrag vom 21.4.1993 die Verjährungsfrist bereits mit der Abnahme des Bauwerks zu laufen beginnen soll, verstößt diese Vorschrift gegen § 11 Nr. 10 f. des damals geltenden AGB-Gesetzes. Es ist davon auszugehen, dass die allgemeinen Vertragsbedingungen von dem Beklagten zur Verfügung gestellt wurden, weil seine Äußerung, er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob dies damals der Fall gewesen war, und könne dies deshalb nicht ausschließen, lediglich als unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig ist. Soweit er darüber hinaus mit Rücksicht der zahlreichen Streichungen auf S. 1 des Architektenvertrages davon ausgeht, dass die Bedingungen nicht von ihm gestellt, sondern von den Vertragsparteien ausgehandelt wurden, kann dem bezüglich der Ziff. 8 der allgemeinen Vertragsbedingungen nicht gefolgt werden. Vielmehr sind bis auf Ziff. 7 Abs. 2 AVA die Vertragsbedingungen unverändert übernommen worden, so dass schon von daher ein Aushandeln nicht anzunehmen ist.

Es spielt letztlich auch keine Rolle, ob mit Rücksicht auf die Kaufmannseigenschaft des Klägers § 11 AGB-Gesetz keine unmittelbare Anwendung findet (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 AGB-Gesetz). Denn über die §§ 24 S. 2, 9 AGB-Gesetz gilt das Verbot der Verkürzung gesetzlicher Gewährleistungsfristen in allgemeinen Geschäftsbedingungen auch ggü. Kaufleuten (BGH v. 8.3.1984 - VII ZR 349/82, MDR 1984, 749 = BauR 1984, 390).

Ziffer 8 AVA wäre allerdings wirksam, wenn er insoweit ausgelegt werden könnte, dass Ansprüche wegen mangelhafter Architektenleistungen der Leistungsphase 5 bis 8 des § 15 HOAI fünf Jahre nach (Teil-)Abnahme dieser Leistungsphasen verjähren und lediglich Ansprüche wegen Architektenmängeln in der Leistungsphase 9 des § 15 HOAI fünf Jahre...

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