Leitsatz (amtlich)

1. Das Leistungssoll für die Bauverpflichtung eines Bauträgers kann auch durch vertragsbegleitende Umstände bestimmt werden, etwa durch Texte und Visualisierungen in einem Prospekt, mit dem die Wohneinheit auf Veranlassung des Bauträgers beworben wird.

2. Auch wenn die Leistung eines Werkunternehmers an einem wesentlichen Mangel leidet, ist sein Vergütungsanspruch ohne Abnahme fällig, wenn die Beseitigung des Mangels unverhältnismäßig wäre.

3. Deshalb ist auch die von einem Bauträger mit einem wesentlichen Mangel errichtete Wohneinheit bezugsfertig, wenn die Beseitigung des Mangels unverhältnismäßig ist.

4. Ob der Rücktritt eines Bauträgers vom Bauträgervertrag wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung unwirksam ist, richtet sich nach einer Gesamtabwägung.

5. Selbst ein Zahlungsrückstand des Erwerbers in Höhe von mehr als 10 % des Kaufpreises kann in diesem Sinne unerheblich sein, wenn die Leistung des Bauträgers an einem wesentlichen Mangel leidet und sein Vergütungsanspruch - etwa die Bezugsfertigkeitsrate - nur deshalb fällig ist, weil die Mangelbeseitigung unverhältnismäßig wäre.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 22 O 301/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts vom 6. Juni 2018 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses und fortan auch das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Rückabwicklung eines Bauträgervertrags.

Mit notariellem Vertrag vom 16. Februar 2015 (im Folgenden: Bauträgervertrag) verkaufte die Klägerin den Beklagten Wohnungseigentum an einer Dachgeschosswohnung auf dem Grundstück M... Straße ..., Berlin... (Wohneinheit Nr. 32 gemäß Aufteilungsplan) und Teileigentum an dem dortigen Kellerraum Nr. 31 gemäß Aufteilungsplan. In § 3 des Vertrages verpflichtete sich die Klägerin zur Errichtung der Wohneinheit gemäß einer Baubeschreibung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Wohnung noch nicht fertiggestellt. Die Klägerin hatte sie mit einem Exposé beworben, das mehrere Visualisierungen und Pläne enthielt (vgl. Anlage K 12). Danach sollte die Wohnung über ein zentrales Wohnzimmer mit offener Küche verfügen. Von diesem Wohnzimmer sollte eine Treppe zu einer auf dem Dach gelegenen Terrasse führen. Eine Visualisierung in dem Prospekt zeigt diese Treppe mit 16 Stufen bis zur Unterkante der Zimmerdecke des Wohnzimmers. Auf S. 9 des Prospekts heißt es:

"Um endgültig den Trubel der Großstadt hinter sich zu lassen, ziehen Sie sich auf Ihre eigene Aufdachterrasse zurück. Eine elegante Treppe aus Sichtbeton führt vom Wohnbereich aus zu Ihrem kleinen Ruhe-Paradies."

Der Kaufpreis für die Wohnung Nr. 32 sollte ursprünglich 698.000,- EUR betragen (vgl. § 5 des Bauträgervertrags). Mit notariellem Vertrag vom 5. Mai 2015 vereinbarten die Parteien die Absenkung auf 688.000,- EUR, da einige Außenwände entgegen der ursprünglichen Vereinbarung nur in Holzständerkonstruktion hergestellt werden konnten (Anlage K 1).

Der Kaufpreis sollte in sieben Raten gemäß dem Baufortschritt fällig werden. Die Beklagten bezahlten die ersten fünf Raten nach Fälligstellung durch die Klägerin in vollem Umfang. Zu ihren Gunsten wurden Auflassungsvormerkungen betreffend die Wohnung Nr. 32 und den Kellerraum Nr. 31 im Grundbuch eingetragen.

Die sechste Rate in Höhe von 13,3 % des Kaufpreises in Höhe von 91.504,- EUR sollte nach bezugsfertiger Herstellung der Wohnung und nach Fertigstellung der Fassadenarbeiten Zug um Zug gegen Übergabe der Wohnung fällig werden (im Folgenden: Sechste Rate oder Bezugsfertigkeitsrate).

Am 16. Februar 2016 war die Klägerin der Auffassung, diese Stufe der Fertigstellung erreicht zu haben und forderte die Beklagten zur Zahlung der sechsten Rate auf (Anlage K 2).

Die Klägerin hatte die Treppe vom Wohnzimmer auf die Dachterrasse nicht in Sichtbeton, sondern in Betonimitat hergestellt, also einer Trockenbaukonstruktion mit Betonoptik. Außerdem ist die Treppe steiler als auf der Visualisierung im Prospekt. Sie verfügt bis zur Unterkante der Wohnzimmerdecke nicht über 16, sondern nur über 13 Stufen.

Aus diesem Grund verweigerten die Beklagten nach einer Besichtigung die Übernahme der Wohnung und die Zahlung der Bezugsfertigkeitsrate.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2016 setzte die Klägerin den Beklagten für die Zahlung der Rate eine Frist bis zum 27. Juni 2016 und drohte den Rücktritt vom Bauträgervertrag an (Anlage K 7). Nachdem diese Frist fruchtlos verstrichen war, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 7. Juli 2016 den Rücktritt vom Bauträgervertrag.

Die Klägerin meint, die Wohnung sei bezugsferti...

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