Leitsatz (amtlich)

Die Beweisregel des § 416 ZPO (formelle Beweiskraft der Privaturkunde) bezieht sich auch auf die Begebung einer schriftlichen Willenserklärung.

Der Gegenbeweis, dass die nur als Entwurf gedachte Urkunde abhanden gekommen ist, steht dem Aussteller nicht offen; denn soweit die formelle Beweiskraft des § 416 ZPO reicht, ist der Gegenbeweis unzulässig.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 10.04.2003; Aktenzeichen 9 O 116/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.03.2006; Aktenzeichen IV ZR 145/05)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.4.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des LG Berlin - 9 O 116/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 10.4.2003 verkündete Urteil des LG, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird. Das Grundstück der Klägerin wurde nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung freihändig veräußert. Am 20.8.2003 wurden 184.895,85 EUR an die Beklagte überwiesen. Die streitgegenständliche, zugunsten der Beklagten eingetragene Grundschuld wurde gelöscht.

Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihren bisherigen Vortrag und trägt u.a. vor: Der Beklagten habe gegen die Klägerin kein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung zugestanden, da die zugunsten der Beklagten eingetragene Grundschuld ohne Rechtsgrund bestellt worden sei. Ein konkludenter Sicherungsvertrag sei zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Auch sei von einem (konkludenten) Schriftformerfordernis auszugehen. Bei der Nachbeurkundung vom 22.2.2005 sei es lediglich um eine Korrektur der Grundstücksbezeichnung sowie die Klarstellung, dass es sich nicht um ein Briefrecht handelt, gegangen. Die von der Klägerin unterzeichnete Zweckerklärung sei ohne ihren Willen zur Beklagten gelangt; in Ermangelung eines willentlichen Begebungsaktes handele es sich nicht einmal um eine Willenserklärung.

Ihr stünden Anfechtungsrechte nicht nur aus §§ 120, 119 BGB sondern auch aus § 123 BGB zu. Im Hinblick auf die Ablösung der Grundschuld beantragt die Klägerin in Änderung ihres erstinstanzlichen Klageantrages, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 184.895,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.8.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

II. Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat die auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 30.1.2001 sowie auf Löschung der streitgegenständlichen Grundschuld gerichtete Klage i.E. zu Recht abgewiesen.

Aus denselben Gründen steht der Klägerin der im zweiten Rechtszug im Wege der als sachdienlich zuzulassenden (§ 533 ZPO) Klageänderung geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu. Die Beklagte ist insoweit nicht ungerechtfertigt bereichert (§ 812 BGB).

A. Die Buchgrundschuld wurde wirksam bestellt (§§ 1192, 1113, 873 BGB). Sie wurde am 1.3.2001 zugunsten der Beklagten im Grundbuch eingetragen. Auch die für eine wirksame Bestellung erforderliche dingliche Einigung liegt vor. Der Beklagten wurde eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde des Notars R. vom 30.1.2001 (Anlage K2), die das Angebot der Klägerin enthält, erteilt. Der Eintragungsantrag wurde im Namen beider Parteien gestellt. Eine Anfechtung der dinglichen Einigung ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt, die dingliche Einigung erfassende Anfechtungsgründe sind auch nicht ersichtlich. Ebenfalls weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind Tatsachen, aus denen sich eine Nichtigkeit der dinglichen Einigung ergeben könnte. Die auf den Seiten 12 ff. der Klageschrift vorgetragenen Tatsachen können allenfalls die Wirksamkeit der Sicherungsvereinbarung betreffen, nicht aber die dingliche Grundschuldbestellung (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 139 Rz. 7 f.).

B. Die Beklagte erlangte diese Grundschuld auch mit Rechtsgrund. Den hierzu erforderliche Sicherungsvertrag (Zweckerklärung) haben die Parteien wirksam vereinbart.

a) Die von der Klägerin unstreitig eigenhändig unterzeichnete, auf den 16.2. datierte schriftliche Zweckerklärung (Anlagen K8, K9, B1) ist der Beklagten unstreitig zugegangen. Die Annahme dieses Angebotes durch die Beklagte brauchte ggü. der Klägerin nicht erklärt zu werden (§ 151 BGB).

aa) Die Echtheit des Urkundentextes steht - mit Ausnahme von Ausstellungsdatum und Ausstellungsort - fest. Echt ist ei...

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