Leitsatz (amtlich)

Zu der Rechtswirkung einer Sanierungsverordnung im Enteignungs- und Entschädigungsverfahren.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 04.03.2008; Aktenzeichen O 3/07 Baul)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.07.2016; Aktenzeichen III ZR 28/15)

BGH (Urteil vom 07.07.2011; Aktenzeichen III ZR 156/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beteiligten zu 8. wird das Urteil des LG Berlin vom 4.3.2008 (Az. - O 3/07 Baul) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung der Beteiligten zu 1. bis 6. vom 29.3.2007 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Beteiligten zu 1. bis 6. zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten zu 1. bis 6. können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beteiligte zu 8. vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1. bis 6. waren Eigentümer des 567 m2 großen Grundstücks S. Straße ...in Berlin-Pankow. Das Grundstück liegt in zentraler Lage im Ortsteil Prenzlauer Berg. Die nähere Umgebung des Grundstücks wird durch fünfgeschossige, in geschlossener Bauweise errichtete Wohnbebauung geprägt. Die ursprünglich vorhandene Wohnbebauung des Grundstücks wurde im Krieg zerstört. In den Jahren 1955 bis 1957 diente das Grundstück als Holz- und Kohlenlagerplatz und wurde anschließend als Garagenhof genutzt.

Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des förmlich festgesetzten Sanierungsgebietes Prenzlauer Berg - Helmholtzplatz (9. Verordnung über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten vom 21.9.1993, verkündet am 8.10.1993, GVBl. S. 403). Danach ist das Grundstück als Standort für eine öffentliche Grünfläche/Bestand mit Aufwertungsbedarf vorgesehen. Für das heutige Sanierungsgebiet ist gem. § 141 BauGB eine vorbereitende Untersuchung veranlasst worden. Grundlage für die Durchführung der vorbereitenden Untersuchung war der Beschluss 189/190 des Magistrats von Berlin (Ost) vom 18.9.1990, der am 30.11.1990 bekannt gemacht wurde (GVABl. S. 524). Ein Bebauungsplan existiert bis heute nicht.

Den Beteiligten zu 1. bis 6. wurde das Grundstück mit Bescheid vom 8.3.1999, bestandskräftig seit 16.4.1999, nach dem Vermögensgesetz zurück übertragen. Ihr Antrag vom 28.4.2004 auf Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung zur Bebauung entsprechend den Nutzungsmaßen der Umgebungsbebauung wurde mit Bescheid des Stadtplanungsamtes des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 26.8.2004 bestandskräftig versagt. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass im Rahmenplan zum Sanierungsgebiet Prenzlauer Berg-Helmholtzplatz die Grundstücke S. Straße ... als öffentliche Grünfläche ausgewiesen seien. Wegen der Unterversorgung des Gebietes mit Freiflächen kämen - so der Bescheid - nur noch vorhandene Baulücken als letzte Flächenreserven in Betracht; vergleichbare Grundstücke könnten nicht herangezogen werden, da diese ebenfalls für den Abbau von Defiziten in der Freiflächenversorgung u.Ä. benötigt würden.

Mit Schreiben vom 22.11.2004 beantragten die Beteiligten zu 1. bis 6. bei der Enteignungsbehörde des Landes Berlin (der Beteiligten zu 8.) die Entziehung des Eigentums an dem Grundstück. Die Beteiligte zu 8. beantragte am 26.10.2005 die Erstattung eines Verkehrswertgutachtens durch den Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin. Der Gutachterausschuss kam in seinem Gutachten vom 11.7.2006 zu dem Ergebnis, dass der Verkehrswert auf der Basis der zum Stichtag 29.11.1990 tatsächlich ausgeübten Nutzung (Garagen/Stellplätze) 105.500 EUR beträgt, während er auf der Grundlage der zu diesem Stichtag planungsrechtlich zulässigen Nutzung (baureifes Land in allgemeinem Wohngebiet) 225.000 EUR beträgt.

Während der Durchführung des Entziehungsverfahrens einigten sich die Beteiligten zu 1. bis 6. mit dem Beteiligten zu 7. über den Eigentums- und Besitzübergang an dem Grundstück gegen eine Entschädigung von mindestens 105.500 EUR. Ferner waren sich die Vertragsparteien darüber einig, dass das Verfahren nunmehr als Entschädigungsfeststellungsverfahren von der Enteignungsbehörde fortgeführt werden sollte. Die Teileinigung wurde von der Beteiligten zu 8. gem. §§ 111, 110 Abs. 2 und 3 BauGB beurkundet.

Mit Entschädigungsfeststellungsbeschluss vom 7.3.2007 stellte die Beteiligte zu 8. die Entschädigung für den eingetretenen Rechtsverlust i.H.v. 105.500 EUR fest, wobei sie die tatsächliche Nutzung des Grundstücks zugrunde legte. Gegen den von der Beteiligten zu 8. erlassenen Entschädigungsfeststellungsbeschluss richtet sich der Antrag der Beteiligten zu 1. bis 6. auf gerichtliche Entscheidung, mit dem sie eine weitere Entschädigung i.H.v. 119.500 EUR begehren, weil ihr Grundstück Baulandqualität gehabt habe.

Das LG hat unter Abänderung des Entschädigungsfeststellungsbeschlusses der Beteiligten zu 8. die von dem Beteiligten zu 7. an die Beteiligten zu 1. bis 6. zu leistende E...

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