Leitsatz (amtlich)

1. Bei Wegfall der Preisbindung für öffentlich geförderten Wohnraum ist der Mieter verpflichtet, die zuletzt geschuldete Kostenmiete als Ausgangsmiete für die nunmehr preisfreie Wohnung zu entrichten (im Anschluss an BGH NJW 2011,145).

2. Dem Mieter steht nach rückwirkendem Wegfall der Sozialbindung ein Anspruch auf Rückforderung der Miete zu, soweit die Mietzahlungen die ortsübliche Miete übersteigen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 05.10.2020; Aktenzeichen 51 O 2/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05. Oktober 2020 verkündete Urteil der Zivilkammer 51 des Landgerichts Berlin - 51 O 2/20 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 31.472,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 30.521,95 EUR seit dem 27.04.2019 sowie aus 950,20 EUR seit dem 28.02.2020 zu zahlen.

Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. [1] Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 05. Oktober 2020 verkündete Urteil der Zivilkammer 51 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

[2] Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:

Das Landgericht verkenne, dass hier ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht vorliegen könne. Denn die Eigenschaft "öffentlich gefördert" gehöre gerade zu den materiellen Voraussetzungen des als anwendbar vereinbarten Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG). Die Rechtsfolge - das Entfallen der Erhöhungsmöglichkeit - entspreche gerade der gemeinsamen Geschäftsgrundlage, denn diese Rechtsfolge ergebe sich unmittelbar aus dem nach dem gemeinsamen Willen der Parteien anwendbaren WoBindG.

Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des § 313 BGB komme zudem nur in Betracht, wenn ein Festhalten am Vertrag für die betreffende Partei unzumutbar sei. Eine Unzumutbarkeit für die Beklagte könne nicht angenommen werden. Grundsätzlich trage allein der Vermieter bei langfristigen Mietverträgen typischerweise das Risiko der Preisabsprache. Es verhalte sich hier auch nicht so, dass sich einzelne vertragliche Vereinbarungen der Parteien über mögliche Mieterhöhungen überraschend als unwirksam herausgestellt hätten. Vielmehr hätten die Parteien - wie dargestellt - die Mietverträge dem Regelungsregime des Wohnungsbindungsgesetzes unterstellt. Wenn die Voraussetzungen für die Mieterhöhungen materiell nicht mehr gegeben seien, führe dies nicht zu untragbaren Ergebnissen für den Vermieter. Vielmehr sei dies schlicht die Folge der übereinstimmenden Parteivereinbarungen zur Geltung des WoBindG. Die Beklagte habe nichts zu einer etwaigen Existenzgefährdung oder einer wirtschaftlichen Beeinträchtigung vorgetragen.

Die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des BGH - VIII ZR 60/09 - sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Mit der Möglichkeit des Wegfalls der Sozialbindung müsse jede Partei rechnen, insbesondere sei klar, dass die öffentliche Förderung nicht dauerhaft gewährt werde.

Zudem habe der BGH in der genannten Entscheidung explizit darauf hingewiesen, dass die Anpassung des Vertrages nicht in der Weise erfolgen müsse, dass der Mieter die an sich unwirksamen Mieterhöhungen unabhängig von der Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmiete in vollem Umfange gegen sich gelten lassen müsse. Obergrenze für die Anpassung sei die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel, welche im Einzelnen festgestellt werde müsse. Wenn man eine Vertragsanpassung annehmen wollte, so hätte das Landgericht Beweis über die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete erheben müssen. Hierfür sei die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig.

Soweit das Landgericht der Ansicht sei, dass die Grundsätze auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar seien, weil es sich um ein Gewerbemietverhältnis handele, überzeuge dies nicht.

Da die Parteien die Geltung des WoBindG vereinbart hätten, sei damit zugleich auch vertraglich die Geltung des Wohnraummietrechts vereinbart. Dementsprechend sei die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnungen festzustellen.

§ 6 Nr. 5 des Mietvertrages könne nur dahin verstanden werden, dass hier nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien auch die für das Wohnraummietrecht geltenden Mieterhöhungsmöglichkeiten gemäß §§ 558 ff. BGB gelten sollen.

Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der ortsüblichen Miete obliege indes der Beklagten als Vermieterin. Die Ausführungen des Landgerichts, die Klägerin habe nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass die von der Beklagten verlangte Miete die ortsübliche Verg...

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