Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verfassungsmäßigkeit und Gemeinschaftskonformität der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des für das Land Berlin dazu ergangenen Ausführungsgesetzes sind verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonform und begründen in zulässiger Weise eine Erlaubnispflicht für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten. Die Erlaubnispflichtigkeit verstößt auch dann nicht gegen die Grundsätze der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, wenn die Sportwetten für einen in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässigen Veranstalter von Sportwetten vermittelt werden, der dort über eine Erlaubnis verfügt.

 

Normenkette

StGB § 284 Abs. 1; GlüStV § 4 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 19.05.2010; Aktenzeichen (281 Ds) 61 Js 4609/09 (12/10))

 

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 19. Mai 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten von dem Vorwurf des gewerbsmäßigen unerlaubten Veranstaltens eines Glücksspiels freigesprochen.

Gegen das freisprechende Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer (Sprung-) Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I. 1. Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen die folgenden Feststellungen getroffen:

"Der Angeklagte vermittelte in seinem einer unbeschränkten Anzahl von Personen offen stehenden Lokal ‚ ’, straße 16, Berlin, wegen dessen äußerem Erscheinungsbild auf die Kopie Bl. 26 der Akte Bezug genommen wird, zwischen dem 11. März 2009 und dem 24. August 2009 Sportwetten für die in Österreich sitzende Entertainment GmbH, die unter der Bezeichnung ‚ ’ auftritt und in Österreich eine Lizenz für Internetwetten besitzt, nach Österreich. Zu diesem Zweck hatte er im vorgenannten Zeitraum Wettprogramme und Tippscheine der Entertainment GmbH, wegen deren Erscheinungsbild auf Bl. 27-34 der Akte Bezug genommen wird, in seinem Ladenlokal ausgelegt. Mit Verfügung vom 16. März 2009 untersagte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (im folgenden kurz LABO) dem Angeklagten die weitere Annahme und Vermittlung von Sportwetten. Daraufhin wandte sich der Angeklagte an seinen jetzigen Verteidiger und bat um Auskunft, wie er reagieren sollte. Sein Verteidiger unterrichtete ihn am 26. März 2009 dahingehend, dass ihm, dem Angeklagten, wegen der uneinheitlichen verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung und der noch bestehenden unklaren Rechtslage keine strafrechtliche Verurteilung drohe und er könne sein Gewerbe weiter ausüben. Der Verteidiger legte zudem Widerspruch gegen den Bescheid des LABO vom 16. März 2009 und erwirkte am 11. Juni im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Verwaltungsgericht Berlin - VG 35 L 160.09 - die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Angeklagten gegen die Untersagungsverfügung des LABO vom 16. März 2009. In den Gründen der Entscheidung führt das Verwaltungsgericht u.a. aus, dass es für eine Untersagungsverfügung an einer Ermächtigungsgrundlage fehle. Entsprechend sei das Interesse des Angeklagten, seine Wettvermittlung weiter zu betreiben höher zu bewerten als der sofortige Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung hat das OVG Berlin-Brandenburg am 21. Januar 2010 zurückgewiesen."

2. Das Amtsgericht hat den Freispruch damit begründet, dass sich der Angeklagte im Hinblick auf die am 26. März 2009 erfolgte anwaltliche Auskunft, die er sich zu Eigen gemacht habe, in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden habe.

II. Die Begründung des Freispruchs entspricht nicht den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO ergebenden Anforderungen. Ein freisprechendes Urteil setzt eine umfassende Feststellung derjenigen Tatsachen voraus, die das Gericht für erwiesen erachtet, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfes eine Rolle spielen können (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 2005 - 5 StR 461/04 -, 14. Februar 2008 - 4 StR 317/07 - und 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08 -; Senat, Beschluss vom 16. Juli 1998 - (4) 1 Ss 369/97 (4/98) - jeweils bei juris -). Das Revisionsgericht muss durch die Urteilsbegründung zu einer umfassenden rechtlichen Nachprüfung in die Lage versetzt werden (vgl. BGH aaO.; Senat aaO.; Engelhardt in KK-StPO 6. Aufl., § 267 Rdn. 41 m.w.Nachw.). Davon ausgehend hat das Gericht die angeklagte Tat unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, bevor es rechtsfehlerfrei zu einem Freispruch gelangen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 17. März 2009 - (4) 1 Ss 506/08 (40/09) -). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

1. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte öffentlich ohne behördliche Erlaubnis Sp...

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