Leitsatz (amtlich)

Bei dem Ermittlungsverfahren und dem gerichtlichen Strafverfahren handelt es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne der §§ 15 ff RVG.

 

Normenkette

RVG §§ 15 ff

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 08.04.2008; Aktenzeichen (536) 2 StB Js 215/01 KLs (13/04))

 

Tenor

  • 1.

    Die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Berlin vom 8. April 2008 über die Festsetzung der Wahlverteidigergebühren des Rechtsanwalts Dr. B wird mit der Maßgabe verworfen, dass die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen auf 2.581,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Februar 2008 festgesetzt werden.

  • 2.

    Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

  • 3.

    Der Beschwerdewert wird auf 55.185,-- EUR festgesetzt.

 

Gründe

Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten durch rechtskräftiges Urteil vom 21. März 2007 freigesprochen und seine notwendigen Auslagen der Landeskasse Berlin auferlegt. Der Freigesprochene hat die Festsetzung der Kosten des Wahlverteidigers Rechtsanwalt Dr. B in Höhe von 57.766,45 EUR beantragt. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat durch den angefochtenen Beschluss die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen in Höhe von 2.481,45 EUR festgesetzt. Die hiergegen gerichtete, zulässige sofortige Beschwerde des Freigesprochenen hat lediglich einen geringen Teilerfolg.

1.

Die Rechtspflegerin ist zu Recht davon ausgegangen, dass gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG die Wahlverteidigervergütung nach dem Gebührenrecht der BRAGO zu berechnen ist, weil die Erteilung der Vollmacht am 21. Februar 2003 und damit vor dem 1. Juli 2004 erfolgte. Es handelt sich bei dem vorgerichtlichen und dem gerichtlichen Verfahren um "dieselbe Angelegenheit" im Sinne von §§ 13 BRAGO, 15 RVG. Danach erhält der Rechtsanwalt, welcher in einer Angelegenheit tätig geworden ist und sodann beauftragt wurde, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre, so dass sich die Vergütung einheitlich nach dem bei der Vollmachterteilung geltenden Recht richtet.

a)

Zwar hat der Gesetzgeber die Frage, ob es sich bei dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und dem anschließenden Hauptverfahren um dieselbe Angelegenheit handelt, in dem RVG nicht eindeutig geregelt. Weder in § 16 RVG, der für eine Reihe von Fällen bestimmt, wann eine Angelegenheit vorliegt, noch in den §§ 17, 18 RVG, die die Fälle auflisten, in denen dies nicht der Fall ist sowie in denen besondere Angelegenheiten vorliegen, findet sich eine entsprechende Regelung für das Verhältnis zwischen dem Ermittlungsverfahren und dem gerichtlichen Verfahren. Nach der Intention des Gesetzes sollten jedoch mit § 16 RVG bestimmte Tätigkeiten einer Angelegenheit zugerechnet werden, bei denen es ohne diese Vorschrift zumindest zweifelhaft wäre, ob sie eine gemeinsame Angelegenheit bilden (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 18. Aufl., § 16 Rdn. 1). Offenbar sah der Gesetzgeber im Hinblick auf die bereits zu der Zeit der BRAGO herrschende Auffassung, in Strafsachen sei dasselbe Strafverfahren stets dieselbe Angelegenheit (vgl. Madert in Gerold/Schmidt, a.a.O., § 15 Rdn. 14), keinen Anlass zur Klarstellung. Die Regelungen in § 17 Nr. 10 und 11 RVG zeigen vielmehr, dass (lediglich) in den Fällen, in denen sich an das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ein Bußgeldverfahren oder an das Strafverfahren ein Verfahren über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung anschließt, verschiedene Angelegenheiten vorliegen. Bereits aus der Existenz dieser Regelungen ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber im Übrigen von der Vorstellung ausging, dass das gesamte Strafverfahren eine Einheit bildet. Erst mit Übergang in das Bußgeldverfahren oder in das nachträgliche Sicherungsverwahrungsverfahren, welches erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens aufgrund einer neuen Antragsschrift der Staatsanwaltschaft eingeleitet wird, entsteht eine neue Angelegenheit.

Der Senat folgt daher der Auffassung des Oberlandesgerichts Saarbrücken (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 2006 - 1 Ws 249/06 - ), wonach es sich bei dem Ermittlungsverfahren und dem gerichtlichen Strafverfahren um dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 13 Abs. 5 Satz 1 BRAGO handelt.

Die in der Literatur vereinzelt vertretene abweichende Auffassung (vgl. Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Angelegenheiten §§ 15 ff Rdn. 17 f, S. 41 unter Aufgabe der in der Vorauflage vertretenen Ansicht; Schneider in Anwaltskommentar, RVG 3. Aufl., VV 7001-7002 Rdn. 33 jeweils mit weit. Nachw.) überzeugt hingegen nicht. Die in diesem Zusammenhang teilweise zitierte Rechtsprechung (LG Düsseldorf, VRR 2006, 357; AG Düsseldorf VRR 2006, 399) betrifft einen anderen Sachverhalt, nämlich den Übergang in das gerichtliche Verfahren nach dem Erlass eines Bußgeldbescheids durch eine Verwaltungsbehörde, und ist schon deshalb mit der vorliegenden F...

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