Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten mehrerer Anwälte bei gemeinsamer Klage gegen Kfz-Halter und Versicherer

 

Leitsatz (amtlich)

Die mit der Bestellung eines eigenen Anwalts des Versicherungsnehmers verbundenen Kosten sind neben den Kosten des vom mitverklagten Kfz-Haftpflichtversicherer bestellten gemeinsamen Anwalts nur erstattungsfähig, wenn ein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Anwalts besteht (wie BGH, Beschl. v. 20.1.2004 - IV ZB 76/03, NJW-RR 2004, 536).

Auf die zeitliche Reihenfolge der Mandatserteilung und eine Kenntnis des Versicherungsnehmers von den vom Versicherer bereits ergriffenen Maßnahmen zur gemeinsamen Rechtsverteidigung kommt es nicht an (Aufgabe der früheren Rechtsprechung des KG, vgl. JurBüro 1998, 198).

 

Normenkette

ZPO § 91; AKB § 7 Abs. 2 Nr. 5

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 28.11.2007; Aktenzeichen 24 O 60/06)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Der Antrag des Beklagten zu 2) vom 9.10.2007 auf Kostenfestsetzung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 2) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Der Kläger verklagt aufgrund eines Verkehrsunfalls die Beklagte zu 1) als Haftpflichtversicherer und den Beklagten zu 2) als Halter und Führer des beteiligten Fahrzeugs gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz. Die Klageschrift wurde beiden Beklagten am 2.3.2006 mit der Aufforderung und Notfristsetzung gem. § 276 ZPO zugestellt. Mit Schriftsatz vom 8.3.2006, eingegangen am 9.3.2006, meldete sich Rechtsanwalt Dr. G. aus Stralsund als Prozessbevollmächtigter beider Beklagten und zeigte Verteidigungsbereitschaft an. Rechtsanwalt S., der den Beklagten zu 2) in Angelegenheiten des Verkehrsunfalls schon vorher vertreten hatte, zeigte mit Schriftsatz vom 14.3.2006 ebenfalls die Vertretung des Beklagten zu 2) an, beantragte für ihn die Klageabweisung und bat um Verlängerung der Frist zur Klageerwiderung wegen eigener Arbeitsüberlastung bis 13.4.2006. Die Klageerwiderung von Rechtsanwalt Dr. G. für beide Beklagten erfolgte mit Schriftsatz vom 29.3.2006, die von Rechtsanwalt S. für den Beklagten zu 2) mit Schriftsatz vom 13.4.2006. Am Termin am 22.5.2006, in dem Beweis erhoben wurde, nahmen Rechtsanwalt Dr. G. für beide Beklagten und Rechtsanwalt S. für den Beklagten zu 2) teil, an einem weiteren Verhandlungstermin am 27.8.2007 nahm Rechtsanwalt S. für den Beklagten zu 2) und zugleich als Terminsvertreter für Rechtsanwalt Dr. G. teil. Die Klage wurde auf Kosten des Klägers abgewiesen.

Auf den Antrag von Rechtsanwalt Dr. G. vom 12.10.2007 hat das LG mit Beschluss vom 27.11.2007 die im Antrag berechneten Kosten einschließlich der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 RVG-VV festgesetzt. Mit gesondertem Kostenfestsetzungsantrag vom 9.10.2007 hat Rechtsanwalt S. die ihm aus der Vertretung des Beklagten zu 2) erwachsenen Gebühren angemeldet, die das LG im Beschluss vom 28.11.2007 mit Ausnahme der Terminsgebühr festgesetzt hat. Gegen die Festsetzung der Gebühren eines weiteren Anwalts überhaupt wendet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, während der Beklagte zu 2) sein gegen das Absetzen der Terminsgebühr gerichtetes Rechtsmittel zurückgenommen hat.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig. Sie ist auch begründet. Der Festsetzung der für die Prozessvertretung des Beklagten zu 2) durch Rechtsanwalt S. entstandenen Gebühren steht entgegen, dass die Kosten seiner Vertretung durch Rechtsanwalt Dr. G. in voller Höhe festgesetzt worden sind und die Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten eines weiteren Anwalts nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht erfüllt sind.

1. Der Senat hat allerdings früher (vgl. JurBüro 1998, 198) die Auffassung vertreten, aus dem Grundsatz, dass der zusammen mit dem Kfz-Haftpflichtversicherer verklagte Versicherungsnehmer (gleiches gilt für den mitversicherten Fahrer) berechtigt sei, seinen eigenen Prozessbevollmächtigten auch neben einem vom Versicherer bestellten gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, folge die Erstattungspflicht gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO in den Grenzen des Rechtsmissbrauchs. Dieser liege erst vor, wenn der Versicherungsnehmer von der auch für ihn erfolgten Anwaltsbestellung seitens des Versicherers Kenntnis erlangt habe und gleichwohl einen weiteren Rechtsanwalt in Anspruch nehme, ohne dass hierfür besondere Gründe, wie bei einem erkennbaren Interessengegensatz zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, vorlägen. Diese Auffassung wurde von mehreren OLG geteilt (vgl. OLG Oldenburg JurBüro 1990, 1479; OLG Bremen JurBüro 1989, 98; OLG Hamburg JurBüro 1988, 762).

Eine Gegenmeinung vertritt dem gegenüber die Auffassung, die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines eigenen Prozessbevollmächtigten des Versicherungsnehmers neben den Kosten des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten sei unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Beauftragung und hänge nur vom Vorliegen sachlicher Gründe für die gesonderte Bestellung ab (OLG München MDR 1995, 263; OLG Koblenz JurBüro...

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