Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 11 C 174/86)

LG Berlin (Aktenzeichen 61 S 120/87)

 

Tenor

Der Mieter, der nach § 538 Abs. 2 BGB berechtigt ist, den Mangel der Mietsache selbst zu beseitigen, kann vom Vermieter regelmäßig einen Vorschuß in Höhe der voraussichtlich zur Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten verlangen.

 

Tatbestand

I.

Die Zivilkammer 61 des Landgerichts Berlin hat dem Senat durch Beschluß vom 5. November 1987 (GE 1988, 95) folgende Rechtsfrage vorgelegt:

Ist der Mieter berechtigt, in Höhe seiner voraussichtlichen Aufwendungen gemäß § 538 Abs. 2 BGH vom Vermieter einen Vorschuß zu verlangen?

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger als Mieter verlangt von der Beklagten als Vermieterin Vorschuß in Höhe seiner voraussichtlichen Kosten für die beabsichtigte Beseitigung von Schimmelpilzbefall im Wohnzimmer und im Schlafzimmer seiner Wohnung in Höhe von 1.235,32 DM mit Zinsen.

Zur Begründung der Vorlage hat das Landgericht ausgeführt:

„Die Kammer bejaht die Mängelbeseitigungspflicht der Beklagten. Sie sieht die Beklagte auch als mit der Mängelbeseitigung in Verzug an. Sie beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das die Klage insoweit abweisende Urteil des Amtsgerichts gleichwohl zurückzuweisen, sieht sich daran aber gehindert durch das Urteil ces BGH vom 11. April 1984 – NJW 85, 267 (268), wo es unter II 1 c heißt, zum Tatbestand des § 538 Abs. 2 des BGB vertrete der BGH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der zur Ersatzvornahme Berechtigte einen Anspruch auf Leistung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlich zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten habe.

Diese Auffassung stützt der BGH, wie dessen Urteil vom 7. Mai 1971 – NJW 71, 1450 (1451) ergibt, ausschließlich auf „ein Gebot der Billigkeit”. Dem möchte die Kammer nicht folgen.

Der Mieter hat nämlich die Möglichkeit, den Vermieter auf Instandsetzung (Mängelbeseitigung) gerichtlich in Anspruch zu nehmen, notfalls auf Grund eines seiner Klage stattgebenden Urteils gemäß § 887 Abs. 1 der ZPO sich zur Ersatzvornahme ermächtigen und den Vermieter gemäß § 887 Abs. 2 der ZPO zur Zahlung des Vorschusses „verurteilen” zu lassen. Ihm ist folglich nicht unmöglich, die Mangelfreiheit der Mietsache herbeizuführen, ohne eigene Mittel einzusetzen.

Der hier aufgezeigte Weg belastet den Mieter auch nicht unbillig. Denn einen Rechtsstreit muß er in beiden Fällen führen, um zu Geldmitteln zu kommen. In beiden Fällen muß er notfalls vollstrecken.

Die Bejahung eines in § 538 Abs. 2 des BGB nicht normierten Anspruchs auf Vorschuß erscheint demzufolge aus dem Gebot der Billigkeit nicht herzuleitbar. Diese Bestimmung setzt voraus, daß der Mieter bereits Aufwendungen hatte. Scheut der Mieter Aufwendungen oder kann er solche nicht machen, ist er, wie bereits dargelegt, auf den Weg der §§ 536 BGB, 887 der ZPO angewiesen. Wäre dieser Weg „unbillig”, wäre er gesetzlich nicht vorgesehen.

Selbst wenn man der Ansicht wäre, die Kammer ist dieser Ansicht nicht, ein Mieter könne dem Vermieter über § 326 des BGB die Erfüllung seiner Pflicht zur Beseitigung von Mängeln verwehren, hätte der Mieter keinen Anspruch auf Zahlung gegen den Vermieter aus unterlassener Instandsetzung. Denn ihm ist kein Schaden an der Mietsache entstanden, da er deren Eigentümer nicht ist. Eine im Sinne des BGH auslegungsfähige vereinbarte Ersatzvornahmeberechtigung, aus welcher der Instandsetzungspflichtige unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr berechtigt sein sollte, den Instandsetzungsanspruch noch selbst zu erfüllen, liegt hier ohnehin nicht vor.

Der Vorschußanspruch würde zudem in sich zusammenbrechen, sobald der Vermieter seinen Verzug beendet, indem er die Ausführung der Instandsetzungsarbeiten in einer den Annahmeverzug des Mieters begründenden Weise anbietet. Dazu genügt gemäß § 295 S. 1 des BGB ein wörtliches Angebot. Sollte der Vermieter in dem auf Vorschußzahlung gerichteten Rechtsstreit so verfahren, wäre der Mieter seinem Ziel, zu Geldmitteln zu kommen, keinen Schritt näher gekommen. Er müßte den Vermieter erneut in Verzug setzen. Die Rechtslage würde sich alleine auf Grund von Erklärungen ständig ändern können, während das Interesse des Mieters allein darin liegt, daß der Vermieter Handlungen vornimmt, durch welche der Mangel beseitigt wird.

Die Klage aus § 536 des BGB dagegen setzt Verzug nicht voraus. Ein wörtliches Angebot des Vermieters wäre auf den Rechtsstreit ohne negativen Einfluß für den Kläger, würde die Verurteilung in der Regel sogar beschleunigen. Der Mieter käme auf diesem Wege seinem Ziel der Mängelbeseitigung erheblich näher. Er braucht auch nur das Ziel (Beseitigung bestimmter vertragswidriger Zustände) einzuklagen und kann – und muß – dem Vermieter überlassen, durch welche Maßnahmen dieser den Erfolg herbeiführt. Bei der Vorschußklage dagegen müßte der Mieter einen Kostenvoranschlag vorlegen. Etwaige preiswertere Alternativen wären, da es ohnehin „nur” um einen Vorschuß geht, ohne Bedeutung. Klagt der Mieter aber nur einen Teil des ...

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