Entscheidungsstichwort (Thema)

Vom Gericht zu tolerierende Gebührenbestimmung nach § 12 Abs. 1 S. 1 BRAGO

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 06.08.2003; Aktenzeichen 19 F 6514/01)

 

Tenor

Die Beschwerde des Rechtsanwaltes ... gegen den Beschluss des AG Pankow/Weißensee vom 6.8.2003 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die nach § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Bestimmung des Gebührensatzes für die Rahmengebühren des § 118 Abs. 1 BRAGO, die von dem Beteiligten für die Besprechungsgebühr mit 10/10 geltend gemacht wird, ist nicht verbindlich. Diese entspricht nicht der Billigkeit (§ 12 Abs. 1 BRAGO) und weicht von dem als angemessen anzusehenden Gebührensatz um mehr als 20 % ab (vgl. dazu KG JurBüro 1984, 1847). Die in § 12 Abs. 1 S. BRAGO genannten vier Kriterien, auf die bei der Bestimmung der Rahmengebühr insb. abzustellen ist, rechtfertigen im Ergebnis nicht eine 10/10-Besprechungsgebühr. Wie das AG in seinem sorgfältig begründeten Beschluss bereits im Einzelnen ausgeführt hat, ist den Besonderheiten der vorliegenden Sorgerechtssache hinsichtlich Umfang und Schwierigkeitsgrad schon in der Weise Rechnung getragen worden, dass der Geschäftswert auf 8.000 DM festgesetzt worden ist. Die Umstände, die zur Heraufsetzung des Geschäftswertes geführt haben, können dann nach den zutreffenden Ausführungen des AG, auf die Bezug genommen wird, nicht nochmals zur Begründung eines vom Mittelwert abweichenden erhöhten Gebührensatzes angeführt werden. Das Argument des Beschwerdeführers, die Heraufsetzung des Geschäftswertes sei allein wegen der Zurückverweisung erfolgt, die Sache selbst sei ungeachtet der Zurückverweisung von überdurchschnittlicher Bedeutung, verfängt nicht. Gerade der Hinweis des Beschwerdeführers auf die geringen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Kindesvaters spricht unter Beachtung der in § 12 Abs. 1 S. 1 BRAGO genannten Kriterien gegen eine Abweichung von der Mittelgebühr, soweit es die hier nur streitbefangene Besprechungsgebühr betrifft.

Die Besprechungsgebühr ist auch nicht, wie von dem Beschwerdeführer hilfsweise geltend gemacht wird, auf 9/10 zu bemessen. Der Rechtsanwalt ist an sein einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden. Denn die Ausübung des Ermessens ist Bestimmung der Leistung durch eine Vertragspartei und erfolgt ggü. dem anderen Teil. Die Bestimmung ist rechtsgestaltender Natur, ihre Abgabe somit Ausübung des Gestaltungsrechts (s. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 12 Rz. 4; Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 12 BRAGO Rz. 12). Ob der Ansicht des OLG Köln (s. OLG Köln AGS 1993, 34) zu folgen ist, wonach sich der Rechtsanwalt ausnahmsweise die Geltendmachung einer weiter gehenden Rahmengebühr für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung der zunächst bestimmten Rahmengebühr vorbehalten kann, bedarf keiner Entscheidung. Zum einen fehlt es hier an einem geäußerten Vorbehalt und zum anderen zielt die nunmehr hilfsweise bestimmte Gebühr auf eine geringere Festsetzung der Rahmengebühr. Die hilfsweise verlangte geringere Gebühr dient vielmehr ersichtlich allein dem Zweck, die Bestimmung der Besprechungsgebühr mit 9/10 der Billigkeitsüberprüfung zu entziehen, weil diese die "Toleranzgrenze" von 20 % nicht überschreitet. Damit vermag der Beschwerdeführer ungeachtet der vorstehenden Ausführungen aber nicht durchzudringen. Es trifft zwar zu, dass Abweichungen von bis zu 20 % von der vom Gericht für angemessen erachteten Gebühr vertretbar und daher auch vom Gericht anzuerkennen sind (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 12 BRAGO Rz. 24). Eine vom Gericht zu tolerierende Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt nach § 12 Abs. 1 S. 1 BRAGO liegt aber nur dann vor, wenn sie aufgrund der Umstände des Einzelfalles in Verbindung mit den vier Bemessenskriterien getroffen worden ist. Liegt eine solche Ermessensentscheidung nicht vor, ist die von dem Rechtsanwalt vorgenommene Gebührenbestimmung gem. § 12 Abs. 1 S. 2 BRAGO unbillig und damit nicht verbindlich, auch wenn die geltend gemachten Gebühren die Toleranzgrenze von 20 % nicht überschreiten (vgl. OLG Düsseldorf v. 6.11.2001 - 4 WF 138/01, MDR 2002, 666 = OLGReport Düsseldorf 2002, 76; Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Aufl., § 12 Rz. 9). Eine billige Gebührenbestimmung, die von der Mittelgebühr abweicht, liegt aus den eingangs dargelegten Gründen aber gerade nicht vor.

Schließlich hat das AG zu Recht die Erstattung einer Beweisgebühr abgelehnt. Die nach § 49a FGG zwingend vorgeschriebene Anhörung des Jugendamtes ist regelmäßig keine Beweisaufnahme. Im Vordergrund steht dabei der Zweck, dem Gericht bisher (möglicherweise) nicht bekannte Tatsachen, die für die Beurteilung des Kindeswohls erheblich sind, darzulegen. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn das Gericht das Jugendamt um Ermittlung bittet, welche gegensätzlichen Darstellungen ...

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