Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 20 O 170/20)

LG Berlin (Aktenzeichen 33 O 221/20)

 

Tenor

Die Zivilkammern für Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen des Landgerichts Berlin werden als funktional zuständige Spruchkörper bestimmt.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Inhaber eines Fachbetriebs für Sanitär und Heizungsbau. Er wurde von der Beklagten, die als Generalunternehmerin bei der Sanierung einer Immobilie fungierte, mit der Erbringung entsprechender Bauleistungen beauftragt. Nach Abschluss der Arbeiten erstellte der Kläger eine handschriftliche Aufstellung der noch offenen Rechnungen über einen Gesamtbetrag von 58.572,00 Euro. Diese Aufstellung unterschrieb der Geschäftsführer der Beklagten am 6. März 2018 mit folgendem handschriftlichem Zusatz: "Aufstellung ist vollständig und wird als Zahlungsverpflichtung anerkannt." Nachdem die Beklagte auch hierauf keine Zahlungen erbrachte, ließ der Kläger sie durch einen mittlerweile beauftragten Rechtsanwalt unter Fristsetzung bis zum 21. Februar 2019 zur Zahlung der Hauptforderung, bis zum 6. Februar 2019 aufgelaufener Verzugszinsen in Höhe von 14.665,34 Euro sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 Euro auffordern. Am 4. März 2019 zahlte die Beklagte einen der Hauptforderung entsprechenden Betrag von 58.572,00 Euro an den Kläger.

Nachdem weitere Zahlungen nicht erfolgten, hat der Kläger einen Vollstreckungsbescheid über einen Betrag von 16.989,72 Euro gegen die Beklagte erwirkt, wobei er die von der Beklagten erbrachte Zahlung in erster Linie auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten und Verzugszinsen verrechnet hat. Die Beklagte macht mit ihrem Einspruch geltend, dass die Zahlung vom 4. März 2019 ausschließlich auf die Hauptforderung zu verrechnen sei. Beim Landgericht Berlin ist die Sache zunächst an die für Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen fungierende Zivilkammer 20 gelangt. Diese hat sich - nach Anhörung der Parteien - mit einem Beschluss vom 21. September 2020 für funktional unzuständig erklärt. Es liege keine Streitigkeit aus einem Bauvertrag vor; vielmehr handele es sich um eine Klage im Urkundenprozess aus einem Schuldanerkenntnis. Klagegrund sei allein das schriftliche Schuldanerkenntnis - nach Novation - im Sinne von § 781 BGB.

Die hierauf mit der Sache befasste allgemeine Zivilkammer 33 sieht die Voraussetzungen einer gesetzlichen Sonderzuständigkeit nach § 72a S. 1 Nr. 2 GVG als erfüllt an, hält sich deshalb ebenfalls für unzuständig und hat die Sache mit einem Beschluss vom 12. Oktober 2020 dem Kammergericht zur Bestimmung des zuständigen Spruchkörpers vorgelegt.

II. 1. Das Kammergericht ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen. Ferner liegen die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung auch der Sache nach vor. Zwar setzt § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nach seinem Wortlaut voraus, dass sich verschiedene Gerichte (und nicht einzelne Spruchkörper) rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Allerdings ist die Vorschrift entsprechend anwendbar, wenn mehrere Spruchkörper des gleichen Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten und die Entscheidung des Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans, sondern von einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung abhängt. Dies gilt nach allgemeiner Auffassung auch für die von dem Gesetzgeber neu geschaffenen §§ 72a, 119a GVG (Senat, Beschluss vom 22. März 2018 - 2 AR 11/18, NJW-RR 2018, 212; OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. April 2018 - 13 SV 6/18; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juni 2018 - 1 AR 990/18 -, MDR 2018, 1015; Zöller/Lückemann, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 72a GVG Rn. 2; Klose MDR 2017, 793 [795]).

Schließlich sind auch die weiteren Voraussetzungen für eine obergerichtliche Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO erfüllt. Insbesondere haben sich die an dem negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Spruchkörper jeweils "rechtskräftig" im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt. Hierfür genügt es, dass die Beschlüsse jeweils den Parteien bekanntgegeben wurden, womit es sich nicht nur um gerichtsinterne Vorgänge handelt (BGH, Beschluss vom 1. Juni 1988 - IVb ARZ 26/88 -, FamRZ 1988, 1256; OLG Dresden, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 10 ARf 31/00, OLG-NL 2001, 71; Zöller/Schultzky, a. a. O., § 36 Rn. 35 m. w. N.).

2. Als funktional zuständige Spruchkörper sind die Kammern für Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen zu bestimmen, weil die Voraussetzungen für eine gesetzliche Sonderzuständigkeit nach § 72a S. 1 Nr. 2 GVG vorliegen. Entsprechend dem an § 348 Abs. 1 Nr. 2 c ZPO angelehnten Wortlaut der Vorschrift erstreckt sich ihr Anwendungsbereich auf Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen sowie aus Ingenieurverträgen, soweit sie im Zusammenhang mit Bauleistungen stehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen damit "alle Streitigkeiten über Ansprüche erfasst werden, die aus einem Rechtsverhältnis herrühren, in dem eine Partei eine Verpfl...

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