Leitsatz (amtlich)

Vorlage an den EuGH zur Frage der Aufnahme des Erbteils in das Europäische Nachlasszeugnis, Art. 68 lit. l EuErbVO, wenn die Höhe des Erbteils des überlebenden Ehegatten von einer güterrechtlichen Bestimmung wie § 1371 Abs. 1 BGB mitbestimmt wird.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 68 VI 595/15)

 

Tenor

I. Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die nachfolgenden Vorlagefragen ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere von Art. 1 Abs. 1 und Art. 68 lit. l), 67 Abs. 1 der Verordnung Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO), folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.) Ist Art. 1 Abs. 1 EuErbVO dahin auszulegen, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung ("Rechtsnachfolge von Todes wegen") auch auf Bestimmungen des nationalen Rechts bezieht, die, wie § 1371 Abs. 1 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), güterrechtliche Fragen nach dem Tod eines Ehegatten durch Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des anderen Ehegatten regeln?

2.) Sind, falls die Frage zu 1.) verneint wird, jedenfalls Art. 68 lit. l), 67 Abs. 1 EuErbVO dahin auszulegen, dass der Erbteil des überlebenden Ehegatten, auch wenn dieser zu einem Bruchteil aus einer Erhöhung aufgrund einer güterrechtlichen Regelung wie § 1371 Abs. 1 BGB resultiert, im Ganzen in das Europäische Nachlasszeugnis aufgenommen werden darf?

Wenn dies im Grundsatz zu verneinen ist, kann dies dennoch ausnahmsweise für Sachverhalte bejaht werden, in denen

a) das Nachlasszeugnis auf den Zweck beschränkt ist, Rechte der Erbe in einem bestimmten anderen Mitgliedstaat an dort befindlichen Vermögen des Erblassers geltend zu machen, und

b) die Entscheidung in Erbsachen (Art. 4 und 21 EuErbVO) und - unabhängig, welches Kollisionsrecht angewendet wird - die Fragen des ehelichen Güterrechts nach derselben nationalen Rechtsordnung zu beurteilen sind.

3.) Ist, falls die Fragen 1.) und 2.) insgesamt verneint werden, Art. 68 lit. l) EuErbVO dahin auszulegen, dass der aufgrund der güterrechtlichen Regelung erhöhte Erbteil des überlebenden Ehegatten insgesamt - wegen der Erhöhung dann aber nur informatorisch - in das Europäische Nachlasszeugnis aufgenommen werden darf?

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1.) begehrt die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses aufgrund gesetzlicher Erbfolge, das in Anwendung deutschen Rechts sie und den Beteiligten zu 2.) als Erben je zur Hälfte ausweist.

Der am 29.8.2015 mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verstorbene Erblasser war deutscher Staatsangehöriger. Im Zeitpunkt seines Todes war der Erblasser mit der Beteiligten zu 1.) verheiratet und lebte mit ihr nach deutschem Recht im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Beide besaßen zum Zeitpunkt der Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit und hatten ihren Wohnsitz in Deutschland. Einen Ehevertrag hatten sie nicht abgeschlossen.

Der Beteiligte zu 2.) ist das einzige gemeinsame Kind des Erblassers und der Beteiligten zu 1.) und zugleich der einzige Abkömmling des Erblassers.

Der Erblasser hat keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen.

Zum Nachlass des Erblassers gehört neben Vermögenswerten in Deutschland auch ein hälftiger Miteigentumsanteil an einer Immobilie in Schweden.

Auf Antrag der Beteiligten zu 1.) hat das Nachlassgericht unter dem 30.05.2016 (Bl. 19 d.A.) einen nationalen Erbschein erteilt, wonach der Erblasser aufgrund gesetzlicher Erbfolge unter Anwendung deutschen Rechts von den Beteiligten zu 1.) und 2.) je zur Hälfte beerbt worden ist.

In notarieller Verhandlung vom 16.06.2016 (Bl. 24/25 d.A.) hat die Beteiligte zu 1.) beantragt, ihr ein Europäisches Nachlasszeugnis nach der EuErbVO auszustellen, das ebenfalls sie und den Beteiligten zu 2.) aufgrund gesetzlicher Erbfolge als Miterben je zur Hälfte ausweist. Als Zweck des Nachlasszeugnisses gibt sie an, es solle für die Umschreibung der Eigentümerstellung an dem in Schweden gelegenen Grundstück verwendet werden.

Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ist im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch in § 1931 BGB geregelt und lautet wie folgt:

§ 1931 BGB lautet (soweit für die Entscheidung im vorliegenden Fall relevant):

"(1) Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. 2Treffen mit Großeltern Abkömmlinge von Großeltern zusammen, so erhält der Ehegatte auch von der anderen Hälfte den Anteil, der nach § 1926 den Abkömmlingen ...

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