Leitsatz (amtlich)

Zur Strafbarkeit des privaten Anbietens von Sportwetten: Jedenfalls während der Übergangszeit im Jahr 2008 (§ 25 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) hat für den GlüStV noch ein normativ begründetes Vollzugsdefizit bestanden, das einer strafrechtlichen Ahndung entgegensteht.

 

Normenkette

StGB § 284; GlüStV §§ 3, 21, 25

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 21.08.2008; Aktenzeichen (255 Ds) 91 Js 6773/07 (109/08))

 

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 21. August 2008 wird verworfen.

Die Landeskasse Berlin hat die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen von dem Vorwurf des gewerbsmäßigen unerlaubten Veranstaltens von Glücksspielen in zwei Fällen freigesprochen.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Angeklagte seit dem 7. November 2007 in den Räumlichkeiten der R'straße in Berlin und seit dem 11. Dezember 2007 in jenen der W'straße in Berlin als Gewerbetreibender Sportwetten an die in Österreich ansässige H. Sportwetten GmbH vermittelt. Das Amtsgericht hat weiter festgestellt: "Dies geschah jeweils durch Auslegen von Tippzetteln und Wettansetzungen, Wettlisten und Ergebnislisten in den beiden Räumlichkeiten, was den äußeren Rahmen für die Abhaltung der Sportwetten schaffte und auf diese Weise den Abschluss der Sportwetten ermöglichte. Durch die ausliegenden Wettprogramme und Spielansetzungen erhielten die Kunden die Möglichkeit, sich über die angebotenen Wetten zu informieren und konnten einen Tippzettel ausfüllen und zur Weiterleitung an die H. Sportwetten GmbH abgeben. Der Angeklagte, welcher wusste, dass er nicht die behördlichen Erlaubnisse für die Vermittlung von Sportwetten besaß, handelte in der Absicht, sich aus der Vermittlungstätigkeit eine nicht nur vorübergehende und nicht unerhebliche Einnahmequelle zu erschließen, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren".

Gegen das freisprechende Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Revision. Sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das gemäß §§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Der Angeklagte hat sich durch das festgestellte Verhalten nicht nach § 284 Abs. 1, 3 StGB strafbar gemacht. Ob er, was die Feststellungen des Amtsgerichts offen lassen, noch im Jahr 2008 seine Wettvermittlungsangebote aufrechterhalten hat, kann dahinstehen. Denn sowohl die im Jahr 2007 (vgl. unten 1.) als auch die gegebenenfalls im Jahr 2008 begangenen Teilakte der angeklagten Dauerdelikte (vgl. unten 2.) waren bzw. wären straffrei.

1.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276 = NJW 2006, 1261 - nachfolgend: "Sportwettenurteil") fehlt es für die im Jahr 2007 durch den Angeklagten verwirklichten Teilakte der angeklagten Dauerstraftaten an einer verfassungsrechtlichen Grundlage für das staatliche Wettmonopol und damit auch für eine strafrechtliche Sanktion. Solange das bestehende Wettmonopol in seiner konkreten rechtlichen sowie in der Praxis realisierten Ausgestaltung nicht primär der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten diente, stellte ein strafbewehrter Ausschluss gewerblicher Wettangebote einen unverhältnismäßigen und unzumutbaren Eingriff in die Berufsfreiheit dar (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 29. Juli 2008 - 2 Ss 35/08 - bei [...]; OLG München, Urteil vom 17. Juni 2008 - 5 St RR 28/08 - bei [...]; im Ergebnis auch: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30. September 2008 - 1 Ws 152/07 - bei [...]; HansOLG Hamburg ZfWG 2007, 295; OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. Juli 2008 - 1 Ss 24/08 -).

a)

Allerdings handelt es sich bei den durch den Angeklagten vermittelten Sportwetten um Glücksspiele und nicht lediglich um straflose Geschicklichkeitsspiele. Dabei kann offen bleiben, ob die Gewinnquoten zuvor festgelegt waren. Denn selbst wenn die an die Gewinner auszuzahlenden Quoten zuvor festgelegt sind, hängt die Entscheidung über den Gewinn insofern vom Zufall ab, als dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. Nach dieser gleich lautenden Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 S. 2 des bis zum 31. Dezember 2007 in Berlin unmittelbar als Gesetz (GVBl. 2004, 141) geltenden Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland (LottStV) und in § 3 Abs. 1 S. 2 des aufgrund des Landesgesetzes über das öffentliche Glücksspiel vom 15. Dezember 2007 (GVBl. S. 604) seit dem 1. Januar 2008 ebenfalls als Gesetz geltenden Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV) handelt es sich bei den durch den Angeklagten angebotenen Sportwetten um Glücksspiele. Der gegenüber dem LottStV ergänzte § 3 Abs. 1 S. 3 GlüStV und insbesondere die Legaldefinition der Sportwette in § 21 Abs. 1 GlüStV stellen dies nunmehr zusätzlich klar (vgl. zum Glücksspielbegriff auch BGH NStZ 2003, 372).

b)

Auch liegt schon nahe, dass der Angeklagte du...

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