Entscheidungsstichwort (Thema)

gerichtlicher Ersatzwirtschaftsplan. Wohnungseigentumssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kommt ein Wirtschaftsplan der Gemeinschaft nicht zustande, kann das Gericht bis zum Ablauf der Wirtschaftsperiode ersatzweise einen Wirtschaftsplan aufstellen und damit die Wohngeldvorschüsse für diesen Zeitraum – unterstützt durch eine einstweilige Anordnung – sofort fälligstellen.

2. Ist ein Wirtschaftsplan vom Gericht festgelegt und vor Ablauf der Wirtschaftsperiode durch einstweilige Anordnung für sofort wirksam erklärt worden, erledigt sich das gerichtliche Verfahren nicht dadurch, daß die Wirtschaftsperiode abläuft.

3. Das Gericht ist nicht gehalten, detaillierte Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne aufzustellen, sondern kann die voraussichtlichen Bewirtschaftungskosten nach den Angaben der Beteiligten schätzen.

 

Normenkette

WEG § 21 Abs. 5 Nr. 5, § 28 Abs. 1, § 43 Abs. 2

 

Beteiligte

weitere Beteiligte wie aus dem Beschluß des Landgerichts Berlin vom 16. Mai 1990 – 150/191 T 143/89 – ersichtlich

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Neukölln (Aktenzeichen 70 II 137/88)

LG Berlin (Aktenzeichen 150/191 T 143/89)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Erstbeschwerden der Beteiligten zu 2) bis 5) sowie 16) werden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten zweiter und dritter Instanz werden den Beteiligten zu 2) bis 5) sowie 16) auferlegt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auch für die dritte Instanz auf 20.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Wohnungseigentümer lehnten in der Eigentümerversammlung vom 26. September 1988 den von dem damaligen gerichtlich eingesetzten Verwalter vorgeschlagenen Wirtschaftsplan für die Wirtschaftsperiode vom 1. Mai 1988 bis zum 30. April 1989 mit 11 Nein-Stimmen bei 6 Ja-Stimmen ab. Mit seinem am 26. Oktober 1988 bei Gericht eingegangenen Antrag hat der Antragsteller zunächst beantragt, den mehrheitlich abgelehnten Wirtschaftsplan für die Wirtschaftsperiode vom 1. Mai 1988 bis zum 30. April 1989 für wirksam zu erklären. Sodann hat er beantragt, einen Wirtschaftsplan für den Zeitraum vom 1. Mai 1988 bis zum 30. April 1989 nach den Ausgaben für das vorangegangene Wirtschaftsjahr, aber auch unter Rücksichtnahme auf den erhöhten Bedarf, insbesondere für kleine Reparaturen aufzustellen. Der damalige Verwalter der Anlage hat Abrechnungsunterlagen für das Wirtschaftsjahr 1987/88 und Unterlagen über Ausgaben und Einnahmen des Wirtschaftsjahres 1988/89 vorgelegt. Durch Beschluß vom 6. April 1989, geringfügig berichtigt durch Beschluß vom 10. April 1989, hat das Amtsgericht für die Wirtschaftsperiode vom 1. Mai 1988 bis zum 30. April 1989 einen detaillierten Gesamtwirtschaftsplan sowie 33 detaillierte Einzelwirtschaftspläne für die einzelnen Wohneinheiten ausgearbeitet, die sich daraus ergebenden Wohngeldvorschüsse per 13. April 1989 für fällig erklärt sowie im Wege einstweiliger Anordnung bestimmt, daß sein Beschluß sofort wirksam sei. Hiergegen haben die Beteiligten zu 2. bis 5. und 16. sofortige Beschwerde eingelegt. Durch den angefochtenen Beschluß vom 16. Mai 1990 hat das Landgericht die Entscheidungen des Amtsgerichts aufgehoben und die Hilfsanträge des Antragstellers im Erstbeschwerdeverfahren zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers, die zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung führt.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluß ist nicht rechtsfehlerfrei (§ 27 FGG).

Es kann dahinstehen, ob die Erstbeschwerdeführerinnen angesichts ihrer Zerstrittenheit mit dem damaligen gerichtlich eingesetzten Verwalter durch Zustellungen der Antragsschrift und der Ladungen zu gerichtlichen Terminen weitergehend hätten beteiligt werden müssen. Denn eine eventuelle Verletzung ihres rechtlichen Gehörs in I. Instanz ist zumindest dadurch geheilt worden, daß sie in II. Instanz ihre Einwendungen ausreichend haben vortragen können.

Ohne Rechtsirrtum geht der angefochtene Beschluß davon aus, daß das Gericht in Wohnungseigentumssachen grundsätzlich gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 WEG befugt ist, versäumte Beschlußfassungen der Eigentümergemeinschaft, soweit erforderlich, durch gerichtliche Maßnahmen zu ersetzen. Rechtlich einwandfrei führt das Landgericht aus, daß die gerichtliche Tätigkeit insoweit nur subsidiär sein darf, also die Gemeinschaft jederzeit die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen kann. Rechtlich zu billigen ist auch die landgerichtliche Auffassung, daß jeder einzelne Wohnungseigentümer im Rahmen seines Anspruches auf ordnungsmäßige Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG) eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen kann und daß es keines genau bestimmten Antrages bedarf, vielmehr das Gericht im Rahmen seiner Fürsorgetätigkeit die angemessenen Maßnahmen zu bestimmen hat.

Es ist jedoch aus Rechtsgründen zu beanstanden, daß das Landgericht die Voraussetzungen für den gerichtlichen Erlaß eines Wirtschaf...

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