Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 32 O 684/98)

 

Tenor

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führt zur Auferlegung der Kosten auf den Beklagten, da er ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen wäre.

1. Entgegen der Ansicht des Beklagten war der zwischen den Parteien vereinbarte Mietzins nicht wucherisch überhöht im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB.

a) Voraussetzung für eine Unwirksamkeit des Mietvertrages gemäß § 138 Abs. 2 BGB wäre ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 138 Rdn. 66).

aa) Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, ist in dem hier vorliegenden Fall der Gewerberaummiete die jeweilige Marktmiete, und nicht, wie im Fall der Wohnraummiete, die ortsübliche Vergleichsmiete (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II, 698). Während es sich bei der Marktmiete um denjenigen Mietzins handelt, der zum jeweiligen Zeitpunkt konkret bei einer Vermietung zu erreichen ist, sind bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete, deren Begriff in § 2 Abs. 1 Nr. 2 MHRG definiert ist, übliche Entgelte zu berücksichtigen, die in den letzten drei Jahren vereinbart oder geändert worden sind (Bub/Treier/Schulz, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III, 497 f.). Gerade zu Zeiten steigender Mietpreise, wie im fraglichen Zeitraum 1992, ist die Marktmiete mithin höher als die ortsübliche Vergleichsmiete, denn bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete werden auch solche Verträge berücksichtigt, die zu einem früheren Zeitpunkt – und dementsprechend zu einem niedrigeren Mietzins – geschlossen wurden.

bb) Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein auffälliges Missverhältnis im Sinne des § 138 BGB vorliegt, ist nach allgemeiner Meinung der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGHZ 7, 111, 114 für Sicherungsübereignung: BGH WM 1977, 399, Werklohn: Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 138 Rdnr. 66; Schmidt/Futterer/Blank Mietrecht, 3. Aufl., nach §§ 535, 536 BGB Rdnr, 107). Nachträgliche Änderungen sind grundsätzlich unerheblich (BGH WM 1977, 399). Allerdings sind nach BGHZ 7, 111, 114 auch die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erwartenden künftigen Umstände zu berücksichtigen. Da im Jahre 1992, wie gerichtsbekannt ist, gerade im Bereich der Gewerberaummieten in Berlin nach der Wiedervereinigung mit weiterhin steigenden Werberaummieten gerechnet wurde, spricht dies eher gegen eine Sittenwidrigkeit des vereinbarten Mietzinses. Auch der Beklagte trägt nicht vor, im Jahre 1992 sei zu erwarten gewesen, dass die Gewerberaummieten im Jahre 1998 gegenüber 1992 deutlich fallen würden.

Nur im Rahmen der §§ 4, 5 WiStG wird von einer im Vordringen befindlichen Meinung der Standpunkt vertreten, für die Frage, ob eine unangemessen hohe Vergütung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, sei nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf denjenigen der Fälligkeit der vertraglich vereinbarten Leistung abzustellen (dazu unten).

cc) Wann ein auffälliges Missverhältnis im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB vorliegt, wird für den Fall der Geschäftsraummiete in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird, ohne eine Differenzierung nach Wohn- und Geschäftsraummiete vorzunehmen, ein auffälliges Missverhältnis bereits dann bejaht, wenn der vereinbarte Mietzins den Vergleichsmietzins um mehr als 50 % übersteigt (Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 138 Rdn. 76). Überwiegend wird demgegenüber die Auffassung vertreten, im Falle der Geschäftsraummiete liege ein auffälliges Missverhältnis erst dann vor, wenn der vereinbarte Mietzins den Vergleichsmietzins um ca. 100 % überschreitet (OLG Stuttgart, OLGR 2000, 411, nicht rechtskräftig; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II 698; vgl. auch OLG Stuttgart, NJW-RR 1993, 654 für die Pacht von Gewerberäumen).

Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Sie entspricht den allgemeinen Grundsätzen, die im Rahmen des § 138 Abs. 2 BGB außerhalb des Bereichs des Mietrechts, insbesondere für Kreditverträge und Kaufverträge von der Rechtsprechung entwickelt wurden (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 138 Rdn. 68 m.w.N.). Soweit für den Bereich des Wohnraummietrechts eine geringere Überschreitung der Vergleichsmiete von nur ca. 50 % für ausreichend angesehen wird, um ein auffälliges Missverhältnis zu bejahen, dürfte dies auf der sozialen Komponente des Wohnraummietrechts beruhen. Dieser Gesichtspunkt ist auf die Geschäftsraummiete so nicht zu übertragen.

dd) Ergibt sich für den Vergleichsmietzins kein punktgenauer Betrag, ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge