Leitsatz (amtlich)

1. Stellt ein bevollmächtigter Vertreter einer juristischen Person einen Strafantrag, so ist es für die Wirksamkeit des Strafantrages ohne Belang, ob der Vertreter ein persönliches Interesse an der Strafverfolgung hat.

2. Ein Hausfriedensbruch kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass der Täter die Obdachlosigkeit einer Familie beheben wollte, die an der "Hausbesetzung" nicht teilnahm.

 

Normenkette

StGB §§ 34, 77 Abs. 1, § 123 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 08.01.2014; Aktenzeichen (256 Cs) 231 Js 769/14 (147/14))

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 8. Oktober 2014 wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Revision des Angeklagten war aus den folgenden Gründen einstimmig zu verwerfen:

1) Entgegen der Ansicht der Revision fehlt es nicht an einem wirksamen Strafantrag nach § 123 Abs. 2 StGB. Hierbei handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1968 - 2 StR 719/67 - juris Rz. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 2 Ss 171/07 - juris Rz. 10). Das Vorliegen dieser Prozessvoraussetzung ist vom Revisionsgericht nach den Grundsätzen des Freibeweises zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1968 - 2 StR 719/67 - juris Rz. 9; OLG Hamm, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 2 Ss 171/07 - juris Rz. 10). Ein Strafantrag ist ein an ein Strafverfolgungsorgan gerichtetes förmliches Verlangen, eine bestimmte Straftat zu verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - 5 StR 46/14 - juris Rz. 12). Bei der Ausübung des Antragsrechts kann sich der Antragsberechtigte eines Vertreters in der Erklärung bedienen (vgl. Mitseh in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Auflage 2012, § 77 Rn. 11; Fischer, StGB, 62. Auflage 2015, § 77 Rn. 21). So liegt es hier.

Der Zeuge H. stellte den Strafantrag als bevollmächtigter Vertreter des Geschäftsführers der x GmbH als Antragsberechtigte. Dabei hat der Zeuge H. während seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht Tiergarten ausdrücklich erklärt, es sei die Entscheidung der Geschäftsführung der x GmbH gewesen, dass wegen der Tat ein Strafverfahren durchgeführt werden soll. Die Geschäftsführung der x GmbH habe nach der Räumung des besetzten Gebäudes entschieden, dass der Strafantrag aufrecht erhalten bleibe. Aufgrund dieser Angaben des Zeugen H. kann es keinen Zweifeln unterliegen, dass durch die x GmbH ein Strafantrag im Sinne von §§ 123 Abs. 2, 77 Abs. 1 StGB gestellt worden ist. Darauf, dass der Zeuge H. persönlich kein Interesse an einer Strafverfolgung hatte, kommt es - entgegen der Revision - nicht an.

2) Weiterhin greifen die erhobenen Verfahrensrügen nicht durch.

a) Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe gegen § 261 StPO verstoßen, weil es angeblich bedeutsame Äußerungen der Zeugin M. unerörtert gelassen habe, ist unzulässig. Eine Rüge nach § 261 StPO muss mit einem dem Bestimmtheitserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Tatsachenvortrag unterlegt sein. Hierzu gehört die Behauptung, die Zeugin habe sich in der Hauptverhandlung tatsächlich in der von der Revision für beweiserheblich erachteten Weise geäußert (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 4 StR 135/13 - juris Rz. 10). Hieran fehlt es. Die Revision führt lediglich aus, dass die Aussage der Zeugin M. möglicherweise ergeben habe, dass sich die obdachlose Familie in einer Notstandslage befunden habe und die Hausbesetzung das letzte Mittel gewesen sei, um die Gefahr zu beseitigen.

Überdies erfordert eine erfolgreiche Rüge nach § 261 StPO, dass die behauptete Zeugenaussage verfahrensrechtlich anhand des Protokolls oder des Urteils bewiesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 4 StR 135/13 - juris Rz. 11). Auch hieran fehlt es. Weder dem angefochtenen Urteil noch dem Sitzungsprotokoll ist zu entnehmen, dass die Zeugin M. ausgesagt hat, dass sich die obdachlose Familie in einer Notstandslage befunden habe und die Hausbesetzung das letzte Mittel gewesen sei, um die Gefahr zu beseitigen.

b) Die Rügen rechtsfehlerhafter Ablehnung des Beweisantrages der Verteidigung auf Vernehmung der Zeugin L. sind jedenfalls unbegründet. Da es sich um ein Strafbefehlsverfahren vor dem Strafrichter handelt, gelten für die Durchführung der Hauptverhandlung gemäß § 411 Abs. 2 Satz 2 StPO die vereinfachten Regelungen des beschleunigten Verfahrens, insbesondere § 420 Abs. 4 StPO. Danach bestimmt der Strafrichter den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO. Beweisanträge können im Strafbefehlsverfahren vor dem Strafrichter mithin ohne Beschränkung auf die Kataloggründe des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO abgelehnt werden. Ihre Ablehnung ist bereits dann möglich, wenn das Gericht die Erhebung der angebotenen Beweise zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich erachtet. Durch die Regelung des § 420 Abs. 4 StPO ist zugleich der Rahmen revisionsrechtlicher Überprüfung der Nichterhebung beantragter Beweise abgesteckt. Die fehl...

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