Leitsatz (amtlich)

Für die Annahme eines Strafantrages ist die ausdrückliche Bezeichnung eines (Strafverfolgungs)Begehrens als Strafantrag nicht erforderlich. Inhaltlich genügt es für einen solchen Strafantrag vielmehr, wenn sich der Wille des Verletzten bzw. des Dienstvorgesetzten ergibt, dass der Angeklagte wegen der geschilderten Tat strafrechtlich verfolgt wird.

Für die Annahme einer Beleidigung ist die beanstandete Äußerung in ihrer Gesamtheit zu bewerten; einzelne Elemente dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht herausgelöst und einer vereinzelten Betrachtung zugeführt werden, weil dies den Charakter der Äußerung verfälscht und ihr damit den ihr zustehenden Grundrechtsschutz von vornherein versagen würde.

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 18.01.2007)

 

Tenor

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bochum hat gegen den Angeklagten durch Urteil vom 15. August 2006 wegen Beleidigung eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 7, EUR verhängt. Die hiergegen eingelegte Berufung hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum am 18. Januar 2007 mit der Maßgabe verworfen, dass der Tagessatz auf 3,- EUR festgesetzt wird. Die Kammer hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:

"Im Oktober 2005 wurde der Angeklagte von der JVA Aachen in die JVA Bochum verlegt. In Bochum kam der Angeklagte in Kontakt zu dem als Anstaltsarzt tätigen Zeugen Dr. X.. Von Anfang an kam es zwischen beiden zu Streitigkeiten, insbesondere aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über die Behandlung der Diabeteserkrankung. Nachdem der Angeklagte kurz zuvor im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg noch neu eingestellt worden war, änderte der Zeuge Dr. X. die Insulineinstellung, worüber sich der Angeklagte ärgerte. Der Angeklagte war auch nicht damit einverstanden, dass der Zeuge Dr. X. ihn als arbeitsfähig für Tätigkeiten im Strafvollzug erklärte, während er offenbar noch in der JVA Aachen für dauerhaft arbeitsunfähig eingestuft wurde. Wegen dieser Unstimmigkeiten kam es zu erheblichen verbalen Auseinandersetzungen, indem der Angeklagte den Zeugen immer wieder beschimpfte. In den Sprechstunden mit dem Zeugen kam kaum ein echtes Gespräch zustande; der Angeklagte hatte seine feste Meinung, ließ sich nichts sagen sondern stand einfach auf und ging.

Nachdem der Angeklagte bereits zahlreiche Eingaben an das Landesjustizvollzugsamt NRW fertigte, übersandte er unter dem 28.10.2005 ein weiteres Schreiben an diese Behörde mit zahlreichen Beschwerden. In diesem Schreiben heißt es im Zusammenhang mit der vom Angeklagten beanstandeten, mangelhaften diätetischen Verpflegung u.a. wörtlich:

"Erwartungsgemäß wird behauptet, dass die hiesige Krankenkost den Anforderungen entspricht. Selbst der Lagerarzt aus Bautzen, der in der hiesigen Anstalt leider verantwortlich als "Arzt" tätig ist (Dr. (?) X.), vertrat süffisant lächelnd die Auffassung, dass die hiesige Diät nicht immer passe."

In einer weiteren Eingabe an das Landesjustizvollzugsamt NRW vom 10.11.2005 schreibt der Angeklagte wörtlich:

"Am gestrigen Tag wurde ich auf Veranlassung des Herrn (Dr.?) X., dem ehemaligen Lagerarzt des DDR-Zuchthauses Bautzen, vom hiesigen Normalvollzug in die Pflegeabteilung der hiesigen JVA verlegt, die leider dem vorgenannten "Mediziner" untersteht. (...) Eine Behandlung durch Herrn X. lehne ich ab. Meine Eingaben, die sich auf die Misshandlungen dieses Mediziners beziehen, sprechen für sich. Der Unrechtsstaat DDR existiert nicht mehr und gesundheitsschädigende Handlungen und Maßnahmen (Verweigerung von Insulin) müssen nicht hingenommen werden.""

Gegen das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, mit der er seinen Freispruch erstrebt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die fristgerecht eingelegte sowie form- und fristgerecht begründete Revision ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1.

Soweit der Angeklagte rügt, es fehle bereits an einer Prozessvoraussetzung, da ein wirksamer Strafantrag nicht vorliege, kann er mit dieser Rüge nicht durchdringen. Ob die von Amts wegen zu berücksichtigenden Prozessvoraussetzungen vorliegen, hat das Revisionsgericht nach den Grundsätzen des Freibeweises zu prüfen, ohne dabei auf die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen beschränkt und an dessen Beweiswürdigung gebunden zu sein (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Juli 2005 in 2 Ss 172/05; BGH MDR 1955, 143).

Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich dem Schreiben des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bochum vom 08. November 2005 ein Strafantrag wegen Beleidigung hinreichend deutlich entnehmen. Eine ausdrückliche Bezeichnung des Begehrens als Strafantrag ist nicht erforderlich (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 77 Rn. 38). Inhaltlich genügt es für einen solchen Strafantrag vielmehr, wenn sich der Wille des ...

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