Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich muss gem. § 2 Abs. 2 StVO an einem Hindernis (§ 6 StVO) rechts vorbeigefahren werden; dies gilt aber nur dann, wenn dies wegen des einzuhaltenden seitlichen Sicherheitsabstands vertretbar ist.

Will ein Radfahrer durch eine ca. 1,5 m breite Lücke zwischen einem auf der Fahrbahn stehenden Pkw und schräg zur Fahrbahn rechts parkenden Fahrzeugen fahren und kommt er infolge des Öffnens der Beifahrertür des stehenden Pkw zu Fall, so kommt ein Mitverschulden des Radfahrers nach einer Quote von ¼ in Betracht.

Der Radfahrer, dessen Fahrzeugbreite mit ca. 0,6 m anzusetzen ist, hält nämlich in einem solchen Fall keinen ausreichenden Sicherheitsabstand nach links und rechts ein, da dieser jeweils nur ca. 0,45 m beträgt.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 17 O 174/08)

 

Tenor

Der Senat erteilt den Parteien folgende Hinweise und schlägt ihnen einen Vergleich vor.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall.

Die Klägerin befuhr am 22.6.2007 um 14: 30 Uhr mit ihrem Fahrrad die Pestalozzistraße in 10627 Berlin in Richtung Krumme Straße. In Höhe der Hausnummer 84 wartete in Fahrtrichtung der Klägerin der von der Beklagten zu 2) gehaltene und bei der Beklagten zu 3) gegen Haftpflicht versicherte Pkw Ford Escort. Auf der rechten Fahrbahnseite standen in schräg nach vorn gerichteten Parkhäfen Fahrzeuge. Als die Klägerin mit ihrem Fahrrad rechts an dem Beklagtenfahrzeug vorbeifuhr, öffnete der Beklagte zu 1) die Beifahrertür weit und zügig, woraufhin die Klägerin zu Fall kam und sich verletzte.

Die Klägerin hat behauptet, zwischen dem Beklagtenfahrzeug und den rechts geparkten Kfz sein eine Lücke von ca. 1,5 m verblieben.

Sie hat gemeint, die Beklagten hafteten zu 100 % für den entstandenen Schaden. Sie verlangt ein angemessenes Schmerzensgeld i.H.v. zumindest 7.500 EUR, worauf unstreitig schon 2.500 EUR gezahlt wurden, Schadensersatz i.H.v. insgesamt 289,70 EUR die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen sowie Ersatz der ihr außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Die Beklagten haben behauptet, zwischen dem Beklagtenfahrzeug und den rechts geparkten Fahrzeugen habe nur ein Abstand von ca. 60 cm bestanden.

Das LG hat nach Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1), Vernehmung der Zeugen K. und T. sowie Einholung eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens der Klage überwiegend stattgegeben. Das LG hat die Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 5.000 EUR und weitere 279,70 EUR nebst Zinsen zu zahlen, ferner festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 22.6.2007 zu zahlen und schließlich die Beklagten verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 775,65 EUR zu zahlen.

Zur Begründung hat das LG - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei überwiegend begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagten Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 823 Abs. 1 BGB, 7, 17, 18 StVG, 115 VVG.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Gericht davon überzeugt, dass der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) 100 % betrage. Gegen ihn spreche der Anscheinsbeweis des § 14 Abs. 1 StVO. Stürze ein Radfahrer im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Öffnen der Tür, so spreche der Anscheinsbeweis für eine Verursachung durch das Tür öffnen. Soweit der

Beklagte zu 1) und der Zeuge K. angegeben hätten, der Beklagte zu 1) habe die Tür gar nicht geöffnet, bevor die Klägerin gestürzt sei, stehe dies in krassem Widerspruch zum bisherigen Vortrag und werde widerlegt durch die Aussage des unfallunbeteiligten Zeugen T., den das Gericht für glaubhaft halte.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls fest, dass die Klägerin nicht gegen ihre Sorgfaltspflichten nach § 8 Abs. 5 StVO (gemeint ist:

§ 5 Abs. 8 StVO) verstoßen habe. Die Klägerin habe nur bei ausreichendem Platz, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen dürfen. Die Klägerin habe angegeben, mit etwa 10 km/h gefahren zu sein, was einer mäßigen Geschwindigkeit entspreche. Ihre Angabe werde durch die Aussage des Zeugen T. belegt, der ausgesagt habe, dass für ein Fahrrad ausreichend Platz auf der rechten Seite des Fahrzeugs gewesen sei und die Klägerin auch langsam, "wie Frauen halt fahren", gefahren sei. Die gegenteiligen Angaben des Beklagten zu 1) und des Zeugen K. hätten das Gericht nicht überzeugt.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie eine Haftungsverteilung von 50 % zu 50 % erstreben. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus:

Als Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen habe. Dieser Ver...

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