Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 09.02.2000; Aktenzeichen 145 F 13866/92)

 

Tenor

Auf die als Beschwerde anzusehende Erinnerung der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 9. Februar 2000 aufgehoben.

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg wird angewiesen, der Antragstellerin eine vollstreckbare Ausfertigung des Scheidungsfolgenvergleichs vom 28. April 1994 (154 F 13866/92) zu erteilen.

 

Gründe

Die Parteien haben – im Verfahren des Amtsgerichts Charlottenburg, Familiengericht, 154 F 13866/92 – in der mündlichen Verhandlung am 28. April 1994 über die Ehescheidung und die Folgesache Versorgungsausgleich einen gerichtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen, u.a. auch über den nachehelichen Unterhalt, geschlossen. Das Ehescheidungsurteil wurde durch den nachfolgenden – auch am 28. April 1994 erklärten – Rechtsmittelverzicht der Parteien rechtskräftig. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle erteilte der Antragstellerin zu Händen ihres Verfahrensbevollmächtigten am 13. Mai 1994 eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Vergleichs.

Am 15. November 1999 hat die Antragstellerin beantragt, ihr eine (qualifizierte) Vollstreckungsklausel nach § 726 Abs. 1 ZPO zu erteilen. Zur Begründung hat sie auf den Beschluss des Landgerichts Lüneburg – Aktenzeichen 8 T 60/99 – vom 20. Oktober 1999 (Bl. 56/57) verwiesen. Darin hat das Landgericht ihre sofortige Beschwerde gegen den vom Amtsgericht Dannenberg mit Beschluss vom 21. September 1999 versagten Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen, und zwar mit der Begründung, die Vollstreckungsklausel für den Vergleich sei – entgegen §§ 20 Nr. 12 RPflG i.V.m. §§ 726 Abs. 1, 795 Satz 1, 794 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO – nicht vom zuständigen Rechtspfleger, sondern (nur) vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilt worden und deshalb unwirksam. Der Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 9. Februar 2000 die Klauselerteilung abgelehnt, weil die Rechtskraft des Scheidungsurteils nicht vom Gläubiger bewiesen werden müsse, sondern offenkundig sei, und hat die Akte der Richterin vorgelegt. Diese hat eine Abhilfe verweigert, weil auch ihrer Auffassung nach die Voraussetzungen für die Erteilung einer (qualifizierten) Vollstreckungsklausel nach § 726 Abs. 1 ZPO nicht vorliegen; denn die Abhängigkeit des Vergleichs von der Rechtskraft des Scheidungsurteils stelle keine Bedingung i.S.d. § 726 Abs. 1 ZPO dar, sondern sei bloße – vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 724 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu prüfende – Wirksamkeitsvoraussetzung.

Die jetzt dem Senat vorgelegte – und damit als Beschwerde geltende – Erinnerung der Antragstellerin ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 576 ZPO). Sie ist nach Auffassung des Senats auch begründet und führt daher zu der aus dem Beschlusstenor ersichtlich Aufhebung und Anweisung.

Die Parteien haben mit dem am 28. April 1994 von ihnen geschlossenen Vergleich neben weiteren Scheidungsfolgenvereinbarungen u.a. auch eine Unterhaltsvereinbarung „für den Fall der Scheidung ihrer Ehe” getroffen. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg sieht darin keine echte von der Gläubigerin zu Vollstreckungsbeginn zu beweisende Bedingung, sondern eine bloße Wirksamkeitsvoraussetzung – mit der Folge, dass die Klauselerteilung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle genügt (§§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 795 Satz 1, 724 Abs. 2 ZPO). Dies mag – wie das Amtsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 12. Mai 2000 unter Hinweis auf Dallmeyer/Eickmann, Rechtspflegergesetz 1996, § 20 Rdnr. 34 und Meyer/Stolte in Arnold/Egon, Rechtspflegergesetz, 5. Aufl. 1999, § 20 Rdnr. 36 a ausgeführt hat – für den Regelfall zutreffen, weil die Vollstreckbarkeit von Scheidungsvereinbarungen regelmäßig die Rechtskraft des Scheidungsurteils voraussetzt. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Vereinbarung ausdrücklich von der Rechtskraft der Scheidung abhängig gemacht ist (vgl. Dallmeyer/Eickmann und Meyer/Stolte, a.a.O., jeweils a.E. unter Hinweis auf OLG München Rechtspfleger 1984, 106). Dann soll nicht nur die Wirksamkeit des Vergleichs von der Bedingung, nämlich der Rechtskraft des Scheidungsurteils, sondern auch die Vollstreckung aus dem Vergleich hiervon abhängen. (OLG München, a.a.O.). Entsprechend fällt dann der Eintritt der Bedingung in die Beweislast des Gläubigers, wenn er aus dem Vergleich vollstrecken will. Deshalb muss ihr Eintritt vom Klausel erteilenden Organ – nach § 20 RPflG also vom Rechtspfleger – als Voraussetzung der Klauselerteilung gemäß § 726 ZPO geprüft werden (OLG München, a.a.O.).

Diesen (Ausnahme-)Fall hat offensichtlich das Landgericht Lüneburg bei Erlass seines Beschlusses vom 20. Oktober 1999 im Auge gehabt, als es – abweichend von der Auffassung des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg – die „für den Fall der Scheidung” getroffene Vereinbarung der Parteien dahingehend ausgelegt hat, dass damit seitens der Parteien die rechtskräftige Scheidung (ausdrücklich) vereinbart worden sei. Es kommt hinzu, dass ...

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