Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis drogenbedingter Fahrunsicherheit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Relative Fahrunfähigkeit liegt nach dem Genuß von anderen berauschenden Mitteln vor, wenn, abgesehen von der dadurch bewirkten Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Konsumenten, erst weitere festgestellte Tatsachen erweisen, daß der Genuß dieser Mittel zu dessen Fahruntüchtigkeit geführt hat.

2. Festgestellt werden muß ein erkennbares äußeres Verhalten des Angeklagten, das auf seine durch den Drogenkonsum hervorgerufene Fahruntüchtigkeit hindeutet. Als solche Ausfallerscheinungen, die durch den Drogenkonsum zumindest mitverursacht sein müssen, kommen insbesondere in Betracht: Eine auffällige, sei es regelwidrige, sei es besonders sorglose und leichtsinnige Fahrweise, ein unbesonnenes Benehmen bei Polizeikontrollen, aber auch ein sonstiges Verhalten, das rauschbedingte Enthemmungen und Kritiklosigkeit erkennen läßt, sowie Beeinträchtigungen der Körperbeherrschung wie etwa Stolpern und Schwanken beim Gehen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 24.09.2001; Aktenzeichen (565) 2 Ve Js 2153/00 Ns (147/01))

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (infolge Genusses anderer berauschender Mittel) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40,- DM verurteilt und gegen ihn ein dreimonatiges Fahrverbot verhängt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht am 24. September 2001 unter Verwerfung des Rechtsmittels im übrigen das Fahrverbot durch einen Entzug der Fahrerlaubnis ersetzt, den Führerschein eingezogen und eine dreimonatige Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis angeordnet. Durch Beschluß vom selben Tage hat es gemäß § 111 a StPO die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bestimmt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat (vorläufigen) Erfolg. Der genannte Beschluß ist aufzuheben.

1. Die aufgrund der zulässigen Sachrüge von Amts wegen gebotene Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen führt zu dem Ergebnis, daß die von der Staatsanwaltschaft erklärte Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch entgegen der Ansicht des Landgerichts (UA S. 3) unwirksam ist. Eine solche Beschränkung ist unter anderem dann unwirksam, wenn nach den Feststellungen zum Schuldspruch eine Straftat gar nicht vorliegt (vgl. BayObLG wistra 1992, 279; BGH NStZ 1996, 352, 353; KG, Beschluß vom 20. August 2001 - (3) 1 Ss 139/01 (54/01) -; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl., § 318 Rdn. 17). So verhält es sich hier.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat in ihrer Stellungnahme folgendes ausgeführt:

"2. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Angeklagte bei einer Polizeikontrolle mit dem von ihm geführten PKW "schnell gestartet und mit überhöhter Geschwindigkeit nach rechts in die B-straße abgebogen", obwohl die ihm danach entnommene Blutprobe u.a. 1,8 ng/ml THC enthalten habe. Bei der polizeilichen Feststellung habe der Angeklagte "geweitete Pupillen, blasse, kalte und schweißnasse Haut aufgewiesen und sei Stimmungsschwankungen unterworfen gewesen".

Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB. Nach dieser Bestimmung macht sich strafbar, wer ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Andere berauschende Mittel sind solche, die in ihren Auswirkungen denen des Alkohols vergleichbar sind und zu einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens sowie der intellektuellen und motorischen Fähigkeit führen (BGH VRS 53, 356). Dazu zählen insbesondere die ebenso wie Alkohol auf das zentrale Nervensystem einwirkenden, in § 1 BtMG aufgezählten Stoffe, mithin auch Cannabis. Auch dieses Betäubungsmittel verschlechtert das Fahrverhalten in vorgenannter Weise erheblich (BGH aaO; OLG Düsseldorf VM 1999, 53 m.N.; KG, Beschluß vom 6. Februar 2002 - (3) 1 Ss 392/01 (11/02) -). Diesem Umstand hat der Gesetzgeber nunmehr durch die Regelung des § 24 a Abs. 2 StVG Rechnung getragen.

a) Der Nachweis sog. "absoluter" Fahruntüchtigkeit aufgrund des Genusses "anderer berauschender Mittel" i.S.d. § 316 StGB läßt sich - anders als beim Alkoholkonsum - allein aufgrund eines positiven Wirkstoffspiegels im Blut nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft nicht begründen (BGHSt 44, 219, 222 = NJW 1999, 226), weil es insoweit an gesicherten medizinisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnissen fehlt und ein Vergleich mit der Alkoholkinetik nicht möglich ist (BGH NJW 1999, 226, 227). Infolge des Fehlens eines solchen Grenzwertes reicht die Feststellung, daß die dem Angeklagten etwa zwei Stunden nach der Fahrt entnommene Blutprobe einen THC-Gehalt von 1,8 ng/ml sowie dessen Abbauprodukte hatte, nicht aus, um eine absolute Fahruntüchtigkeit feststellen zu können.

b) Auch eine - soweit ersichtlich vom Amtsgericht angenommene - relative Fahruntüchtigkeit belegen di...

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