Normenkette

GG Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 sowie Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 und Abs. 2 ff.; BGB § 1004 Abs. 1 S. 2, § 828 Abs. 1 und 2; StGB § 185 ff.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 27 O 103/01)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des LG Berlin vom 12.4.2001 – 27 O 103/01 – wird zurückgewiesen.

Die Gerichtsgebühr trägt der Antragsteller; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die statthafte (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) und i.Ü. zulässige (§§ 567, 569 ZPO) Beschwerde ist in der Sache jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das LG das Gesuch um Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch (§§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, 185 ff. StGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) nicht zu, weil er durch die von der Antragsgegnerin in den Ausgaben der Zeitung „B.” vom 4.8. und 6.10.1998 veröffentlichte Berichterstattung über ihn nicht in rechtswidriger Weise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Dies gilt gleichermaßen für den Umstand, dass diese Berichterstattung heute noch im on-line-Archiv der„B.” jederzeit abrufbar ist.

1. Die seinerzeitige Veröffentlichung der Fotos des Antragstellers war zulässig (Antrag erster Spiegelstrich).

a) Bei der gebotenen Abwägung der betroffenen widerstreitenden Grundrechte erweist sich die Berichterstattung in der Zeitung vom 4.8.1998 als durch die Wahrnehmung berechtigter Informationsinteressen gerechtfertigt (§ 193 StGB). Angesichts des weltweiten Aufsehens, das der Überfall auf den französischen Polizisten N. in L. anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1998 erregt hat, im Hinblick auf die schweren Folgen der Tat für das Opfer und im Hinblick auf den Schaden, den das Ansehen Deutschlands in der Welt durch diese Tat genommen hat, war die Antragsgegnerin grundsätzlich befugt, darüber – jedenfalls zeitnah – in identifizierender Weise unter Namensnennung und Veröffentlichung von Bildern des an der Tat beteiligten Antragstellers zu berichten (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.1999 – VI ZR 51/99, NJW 2000, 1036 [1037]). Insoweit kann auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses, denen der Senat folgt, Bezug genommen werden. Die Veröffentlichung der Bilder verstößt deshalb auch nicht gegen §§ 22 Abs. 1 S. 1, 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich eine rechtswidrige Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch nicht aus der konkreten Art und Weise der bildlichen Darstellung. Bei den verwendeten Fotos handelt es sich um völlig normale Portraitfotos, die den Antragsteller weder entstellen noch der Lächerlichkeit preisgeben oder in entwürdigender Lage zeigen und so seine Menschenwürde verletzen. Dass die Fotos in der Berichterstattung vom 4.8.1998 mit textlichen Zusätzen versehen sind, die sich – auf S. 1 der Berichterstattung noch unter zusätzlicher Verwendung graphischer Hinweise – auf Teile des abgebildeten Gesichts beziehen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Auffassung des Antragstellers, er werde durch diese Art der Darstellung entmenschlicht, seine Persönlichkeit gleichsam verbal und bildlich „seziert” und er dadurch in einer seine Menschenwürde verletzenden Weise zum Objekt einer Sensationsberichterstattung gemacht, vermag der Senat nicht zu folgen.

Zu dem durch Art. 5 GG geschützten Aufgabenbereich der Presse gehört nicht nur die Berichterstattung über tatsächliche Geschehnisse. Dazu gehört auch der Versuch der Antwort auf die Öffentlichkeit interessierende Fragen. Gerade bei Straftaten, die – wie z.B. im vorliegenden Fall – in besonderem Maße Fassungslosigkeit und Unverständnis hervorrufen, bewegt die Öffentlichkeit die Frage nach dem Warum und der Struktur der Täterpersönlichkeit, d.h. vereinfacht ausgedrückt die Frage, „was in den Köpfen solcher Täter vorgeht”. Mit der Antwort darauf darf sich die Presse befassen. Dass davon das Persönlichkeitsrecht betroffen wird, liegt in der Natur der Sache. Jedenfalls bei Straftaten von außergewöhnlicher Schwere und großem Aufsehen muss ein Straftäter bei der gebotenen Rechtsgüterabwägung derartige Versuche, die Tat aus seiner Persönlichkeit heraus zu erklären, grundsätzlich hinnehmen. Allerdings darf nicht die gewählte konkrete Form der Darstellung eigenständig in rechtswidriger Weise das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Täters verletzen, was insb. bei Verletzungen der Intimsphäre und der Menschenwürde der Fall ist. Eine derartige Verletzung der Menschenwürde vermag der Senat bei einer Gesamtschau aller Umstände nicht festzustellen.

Die hier angegriffenen Abbildungen dienen der Illustration eines Berichtes, in dem ein Psychologe den Versuch unternimmt, die Persönlichkeit des Täters anhand seines Gesichtes zu deuten. Dabei verletzt der konkrete Inhalt der verbalen Darstellung die Menschenwürde des Antragstellers nicht. Es handelt sich nicht um eine offensichtlich verz...

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