Leitsatz (amtlich)

1. Ist bei einzelnen Positionen ein Einheitspreis von 0,01 Euro eingesetzt, handelt es sich auch dann um eine vollständige Preisangabe i.S.v. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A, wenn korrespondierend dazu andere Positionen deutlich teurer angeboten werden, als es ohne die Abpreisungen der Fall gewesen wäre (Divergenz zu OLG Düsseldorf v. 26.11.2003 – Verg 53/03).

2. Das wirtschaftlichste Angebot darf nicht wegen spekulativer Aufpreisungen bei einzelnen Positionen unberücksichtigt bleiben, wenn seine Preiswürdigkeit selbst im gedachten Fall des Aufgehens der Spekulation nicht infrage gestellt ist. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden Wirtschaftlichkeitsprognose müssen konkrete Umstände feststellbar sein, die mit einiger Wahrscheinlichkeit die Annahme rechtfertigen, dass es bei diesen Positionen zu erheblichen Nachforderungen kommen kann.

3. Sind in Positionen von untergeordneter Bedeutung Zuliefererprodukte anzubieten und wird ein Hersteller bzw. ein Produkt mit dem Zusatz „oder gleichwertig” angeboten, kann das nach den gesamten Umständen dahin auszulegen sein, dass der Auftraggeber berechtigt sein soll, ein (gleichwertiges) Alternativprodukt zu bestimmen (mögliche Divergenz zu OLG Dresden, Beschluss vom 10.7.2003, VergabeR 2004, 92).

4. Selbst bei anderem Verständnis solcher Bieterangaben sind Nachverhandlungen zur Festlegung auf bestimmte Produkte statthaft, wenn der Abstand zum folgenden Bieter so groß ist, dass der Wettbewerb nicht verfälscht werden kann (Anschluss an OLG Jena, Beschluss vom 24.2.2003, VergabeR 2003, 339 ff.; v. 8.4.2003 – 6 Verg 1/03).

 

Tenor

Das Nachprüfungsverfahren wird gem. § 124 Abs. 2 S. 1 GWB dem BGH vorgelegt.

 

Gründe

A. Der Antragsgegner betreibt im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung den Bau des Autobahnzubringers Dresden BAB A 113 (neu). Zum 23. Bauabschnitt gehören u.a. die Lose 4 – Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung des Tunnels „Rudower Höhe” (BW TRH50) und 4 A und B – Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung der Stützbauwerke im Einschnitt „Rudower Höhe” (BW TRH60) sowie Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung der Fußgängerbrücke Gerosteig (TRH20).

In der Ausschreibung betreffend das Los 4 hat die „Bietergemeinschaft R.T.”, der die hiesige Antragstellerin und ein weiteres Unternehmen angehören, das günstigste Angebot abgegeben. Jene Ausschreibung ist Gegenstand des parallel beim Senat anhängigen Nachprüfungsverfahrens 2 VERG 17/03. Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf Los 4 A und B. Die Antragstellerin hat unter Berücksichtigung eines wertungsfähigen Preisnachlasses das günstigste Hauptangebot mit einem Nettopreis von … Euro abgegeben. Der Antragsgegner hat das Angebot ausgeschlossen und will den Zuschlag auf ein Angebot mit einem um rd. 668.000 Euro höheren Nettopreis erteilen.

In der Sache geht es bei dem Ausschluss des Angebots der Antragstellerin – wie beim Ausschluss des Angebots der Bietergemeinschaft „R.T.” im Parallelverfahren – in erster Linie darum, dass die Antragstellerin bei mehreren Positionen des Leistungsverzeichnisses Einheitspreise eingesetzt hat, die von den durchschnittlichen Einzelpreisen aller Bieter akzentuiert entweder nach oben oder nach unten abweichen.

Die Position 1.10.10, Baustelleneinrichtung, etwa bietet die Antragstellerin zu einem Preis von rund 60.000 Euro an. Dieser Preis ist der zweitgünstigste aller Bieter. Von den 7 in den Preisspiegel (Vergabeakten grüner Stehordner Bl. 40) aufgenommenen Bewerbern bietet die Antragstellerin diese Position mit dem niedrigsten Preis an; die Preise der übrigen sechs Bieter aus diesem Kreis liegen zwischen dem knapp 4fachen bis zum 10fachen dieses Preises. Wie sich aus dem Aufklärungsgespräch ergeben hat, sind in dem in der Position 1.10.10 angeführten Preis der Antragstellerin nur Leistungen für die Tief- und Straßenbautitel kalkuliert; die Baustelleneinrichtung für die Rohbauleistungen hat sie im Baustellengemeinkosten-Leistungsverzeichnis kalkuliert und über das Gesamtangebot umgelegt (Vergabeakten, grüner Stehordner Bl. 152).

Für die Position 1.10.20 – Baustelle räumen – verlangt die Antragstellerin 0,01 Euro. Die tatsächlichen Aufwendungen für das Räumen der Baustelleneinrichtung hat sie innerhalb der Position 1.10.10 berücksichtigt. Die übrigen Positionen der Antragstellerin mit relativ deutlichen Abpreisungen sind:

Erdarbeiten: 1.11.240, 1.11.310, 1.11.320

Wasserhaltungsarbeiten: 1.15.10, 1.15.20

Beton-, Stahlbeton: 1.18.50,1.18.70, 1.18.150, 1.18.160, 1.18.180, 1.18.190, 1.18.200, 1.18.250, 1.18.350

Stahlbau-, Schmiede-: 1.19.20

Abdichtungsarbeiten: 1.22.20, 1.22.40

Korrosionsschutzarbeiten: 1.23.20

Straßenbauarbeiten: 2.12.10, 2.12.20

Abdichtungs- und …: 2.22.70, 2.22.80

Mit Ausnahme der Positionen 1.15.10 und 1.15.20 handelt es sich dabei um Einzelpreise von 0,01 Euro. Die Antragstellerin erläuterte ihre Preisfindung im Schreiben vom 24.2.2003 (Vergabeakten grüner Stehordner Bl. 124 ff. = Anlage BG 8 zur Beschwerdeerwiderung) und, ergänzend, im Schreiben vom 20.3.2003 Vergabeakte...

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