Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtbarkeit einer PKH-Entscheidung in einer Vollzugssache

 

Leitsatz (amtlich)

Lehnt die Strafvollstreckungskammer in einer Vollzugssache den Antrag eines Gefangenen auf Prozesskostenhilfe ab, ist die Entscheidung ausnahmsweise anfechtbar, wenn das Gericht in Verkennung der Rechtslage in eine Prüfung der Voraussetzungen der § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 121 ZPO gar nicht eingetreten ist.

 

Normenkette

StVollzG § 120 Abs. 2; ZPO § 121

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 01.02.2022; Aktenzeichen 584 StVK 4/22 Vollz)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 1. Februar 2022 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

 

Gründe

I.

Der Gefangene verbüßt gegenwärtig Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt M. Er begehrt die Verlegung in eine Justizvollzugsanstalt des Landes Brandenburg .... Die Justizvollzugsanstalt M. hat der Verlegung mit Bescheid vom 27. Dezember 2021 nicht zugestimmt. Hiergegen begehrt der Gefangene gerichtlichen Rechtsschutz gemäß den §§ 109 ff. StVollzG. Er beantragt zudem, ihm für diesen Antrag Rechtsanwalt D. ... als Verteidiger "gemäß § 120 Abs. 2 StVollzG beizuordnen".

Mit Beschluss vom 1. Februar 2022 hat die Strafvollstreckungskammer den "Antrag des Verurteilten vom 4. Januar 2022 auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO analog abgelehnt". Hiergegen hat der Gefangene mit Schreiben vom 7. Februar 2022 u.a. "sofortige Beschwerde" eingelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Bei sachgerechter, an Art 19 Abs. 4 sowie Art 20 Abs. 3 GG orientierter Auslegung ist der Beschluss als Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe gemäß § 120 Abs. 2 StVollzG iVm § 121 ZPO auszulegen.

Zwar ist in der Regel davon auszugehen, dass ein solcher die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnender Beschluss nicht anfechtbar ist. Denn grundsätzlich darf der Beschwerderechtszug zu einer Nebenentscheidung (hier zur Prozesskostenhilfe) nicht länger als der Rechtszug in der Hauptsache sein. Denn mit dem Prozesskostenhilfeverfahren darf kein Rechtsmittel zu einer Instanz (dem Oberlandesgericht) eröffnet werden, welche in der Hauptsache (dem Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß §§ 116 ff. StVollzG) nicht als Tatsacheninstanz fungiert. Dies gilt namentlich dann, wenn Prozesskostenhilfe versagt worden ist, weil die Strafvollstreckungskammer die Erfolgsaussichten des Antrags gemäß §§ 109 ff. StVollzG verneint hat (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 12. Mai 2020 - 1 Ws 129/19 -, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. März 2020 - 2 Ws 38/20 -, juris; KG, Beschluss vom 16. Februar 2018 - 5 Ws 20/18 Vollz m.w.N.; Bachmann in LNNV, StVollzG 12. Aufl., Abschnitt P Rn. 140).

Eine Anfechtbarkeit ist dagegen entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO ausnahmsweise möglich, wenn ungeachtet der Erfolgsaussichten des Hauptsacheantrags Prozesskostenhilfe allein deshalb verwehrt wurde, weil die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe verneint worden sind (vgl. Bachmann in LNNV a.a.O.). Eine weitere Ausnahme gilt zur Überzeugung des Senats dann, wenn die Strafvollstreckungskammer rechtsirrig die Regelung in § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 121 ZPO übersieht und deshalb in eine sachlich-rechtliche Prüfung eines Prozesskostenhilfeantrags gar nicht eintritt.

So verhält es sich hier. Obwohl der Gefangene in seinem Schreiben vom 4. Januar 2022 sogar ausdrücklich die Beiordnung eines Rechtsanwalts "gemäß § 120 Abs. 2 StVollzG" beantragt hatte, geht das Landgericht darauf nicht ein, sondern setzt sich nur mit der von ihm offenbar allein für möglich gehaltenen analogen Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO in Vollzugsverfahren auseinander. Dabei verkennt es, dass die Norm weder unmittelbar noch analog in Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz in Betracht kommt. Denn § 120 Abs. 2 StVollzG enthält eine insoweit abschließende Regelung (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 Ws (Vollz) 54/17 -, juris; OLG Schleswig, Beschluss vom 11. Februar 2013 - 1 Vollz Ws 38/13 [26/13] -, juris m.w.N.).

Da dem Senat eine eigene Entscheidung zu dem Antrag auf Beiordnung des Verteidigers gemäß § 120 Abs. 2 StVollzG nicht möglich ist (s.o.), wird das Landgericht über diesen Antrag erneut zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15127499

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