Entscheidungsstichwort (Thema)

Musterbedingungen des GdV

 

Leitsatz (amtlich)

Der wegen eines Kfz-Diebstahls auf Entschädigungsleistung in Anspruch genommene Kaskoversicherer kann sich mit Erfolg auf Leistungsfreiheit wegen einer arglistigen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit berufen, wenn der Versicherungsnehmer in dem Fragebogen des Versicherers einen überhöhten Kaufpreis des Fahrzeugs angibt und dies im Prozess damit erklärt, dass er den verlangten Kaufpreis angegeben habe, weil er diesen heruntergehandelt und auf diesen die Kosten der nach dem Kauf erforderlichen Reparaturen aufgeschlagen habe.

 

Normenkette

VVG n.F. § 28 Abs. 3 S. 2; AKB 2008 E. 1.3; AKB 2008 E. 6

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 28.03.2012; Aktenzeichen 44 O 271/11)

 

Tenor

In dem Rechtsstreit D. ./. A.V.-AG werden die Parteien darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das am 28.3.2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 44 des LG Berlin gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung einstimmig der Auffassung ist, dass das Rechtsmittel in der Sache offensichtlich unbegründet ist.

 

Gründe

Zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Der Senat nimmt zunächst vollinhaltlich Bezug auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung. Die dagegen gerichteten Berufungsangriffe lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Es liegen auch keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen (§§ 513, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat sowohl rechtsfehlerfrei als auch unter nicht zu beanstandender Würdigung des schriftsätzlichen und mündlichen Parteivorbringens des Klägers, der der Senat folgt, die Leistungsfreiheit der Beklagten wegen einer arglistigen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit bejaht (§ 28 Abs. 3 S. 2 VVG i.V.m.E. 1.3, 7.1 und 7.2. der hier maßgeblichen AKB 2008).

Nach den vorzitierten Bedingungen E. 1.3 ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass er die Fragen des Versicherers zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten muss. Hierzu gehört in der Fahrzeugversicherung auch die Pflicht, den Versicherer wahrheitsgemäß über die Umstände zu unterrichten, die für die Höhe des Schadens von Bedeutung sind. Richtige Auskünfte müssen es dem Versicherer ermöglichen, sachgemäße Feststellungen über die Ursache und das Ausmaß des Schadens zu treffen und demgemäß den Schaden zu regulieren. Mag die Höhe der zu zahlenden Entschädigung sich auch allein nach dem Marktwert (Wiederbeschaffungswert gemäß A. 2.4.1 der AKB 2008) des gestohlenen Kfz richten, so kann der vom Versicherungsnehmer gezahlte Kaufpreis für die Schätzung des Zeitwertes von entscheidendem Informationswert für den Versicherer sein. Es kommt hinzu, dass bei erfolgreichem Diebstahl eines Fahrzeugs regelmäßig ausgeschlossen ist, den Schaden durch eine Inaugenscheinnahme zu überprüfen. Der Versicherer ist deshalb auf zutreffende Angaben seines Versicherungsnehmers zum gezahlten Kaufpreis angewiesen (vgl. BGH VersR 1976, 849).

Diese Obliegenheit hat der Kläger vorsätzlich verletzt, indem er in Kenntnis des nach seiner Behauptung gezahlten Kaufpreises von nur 8.000 EUR einen solchen von 9.800 EUR angegeben hat. Dabei hat er auch arglistig gehandelt. Denn Arglist liegt auch dann vor, wenn - wie vom LG zutreffend ausgeführt - der Versicherungsnehmer durch seine Angaben Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Durchsetzung der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Diese Voraussetzungen hat das LG unter umfassender und zutreffender Würdigung der vom Kläger vorgebrachten Gründe für seine falsche Angabe gewürdigt. Ein Missverständnis seitens des Klägers lag nicht vor. Gerade seine schriftlichen Erläuterungen vom 21.3.2011 zeigen, dass es ihm - seine Behauptungen und die dortigen Angaben als richtig unterstellt - darum ging, zu vermeiden, dass das Fahrzeug wegen der Angabe des von ihm heruntergehandelten Preises möglicherweise zu niedrig bewertet wird und unberücksichtigt bleibt, dass er den Preisnachlass wegen des Verzichts auf die Garantie und den neuen TÜV nebst ASU erhalten hatte, nach dem Kauf die Mängel jedoch beseitigen ließ und dadurch eine Werterhöhung erzielte. Mit dieser Vorgehensweise hat er der Beklagten den wahren Sachverhalt vorenthalten und ihr bewusst und gewollt einen falschen Kaufpreis genannt, um auf ihre Entscheidung über die Entschädigungshöhe Einfluss zu nehmen. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger meinte, bei Kenntnis des ganzen Sachverhaltes würde keine geringere Entschädigung gezahlt werden. Denn entscheidend ist, dass er ihr die Freiheit genommen hat, ihre Entscheidung auf der Grundlage des tatsächlichen Sachverhaltes zu tref...

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