Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 28.04.2016; Aktenzeichen 181 F 17420/11)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - Familiengericht - vom 28.4.2016 - 181 F 17420/11 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Antrag der Beteiligten zu 2. vom 26.1.2016 wird zurückgewiesen.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Vollstreckungsverfahrens im Verhältnis der Beteiligten zu 1. und zu 2. nach einem Wert von 300 EUR gegeneinander aufgehoben.

II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens im Verhältnis der Beteiligten zu 1. und zu 2. nach einem Wert von 300 EUR gegeneinander aufgehoben.

III. Dem Beteiligten zu 1. wird für das Beschwerdeverfahren eine (ratenfreie) Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin ...gewährt.

 

Gründe

I. Als Eltern von am 19.3.2004 geborenen Zwillingen schlossen die Beteiligten zu 1. und zu 2. am 7.9.2011 vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg - Familiengericht - einen Vergleich, mit dem eine Umgangsberechtigung und -verpflichtung des Beteiligten zu 1. festgelegt wurde. Wegen der im Einzelnen getroffenen Regelungen wird auf die Protokollniederschrift des Vergleichs Bezug genommen (Bl. 18- 20 d.A.).

Mit einem Beschluss vom selben Tage genehmigte das Familiengericht den Umgangsvergleich und erteilte zugleich den gesetzlich vorgesehenen Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die als "Anordnung" bezeichnete Umgangsvereinbarung. Der Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten formlos übermittelt.

Mit der Behauptung, dass der Beteiligte zu 1. seit September 2015 die vorgesehenen Umgangstermine nicht mehr wahrgenommen habe, hat die Beteiligte zu 2. mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.1.2016 beantragt, gegen den Beteiligten zu 1. ein Ordnungsgeld festzusetzen. Nach einer Anhörung hat das Familiengericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.4.2016 daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 100 EUR einen Tag Ordnungshaft gegen den Beteiligten zu 1. festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde, die der Beteiligte zu 1. nach einer Beschlusszustellung am 10.5.2016 am 23.5.2016 erhoben hat und der das Familiengericht ausweislich seines weiteren Beschlusses vom 1.8.2016 nicht abhilft.

Zur Begründung des Rechtsmittels trägt der Beteiligte zu 1. im Wesentlichen vor, dass er an einer schweren Depression mit Antriebsschwäche leide, die Grundlage einer festgestellten Behinderung mit einem Grad von 30 sei und ihn an der Wahrnehmung der Umgangstermine jedenfalls in der Zeit von November 2015 bis Januar 2016 gehindert habe. Im September 2015 sei er hingegen mit den Kindern anlässlich von zwei Kinobesuchen zusammen gewesen, während er sich im Oktober 2015 ankündigungsgemäß im Kosovo aufgehalten habe. Seine Abwesenheit habe er zwangsläufig den Kindern persönlich mitteilen müssen, weil die Beteiligte zu 2. als vorgesehene Adressatin für derartige Benachrichtigungen den Kontakt zu ihm abgebrochen habe und er sie deswegen telefonisch nicht erreichen könne. Im Übrigen bahne er zwischenzeitlich den Umgangskontakt wieder an, indem er täglich mit den Kindern telefoniere und sie ab Ende September 2016 an Wochenenden besuchen werde.

II. Die gemäß §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO statthafte und im Übrigen zulässige, insbesondere innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen eingelegte sofortige Beschwerde, über die nach § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden hat, ist begründet.

Der angefochtene, nach Maßgabe des § 89 FamFG erlassene Beschluss hätte bereits deshalb nicht ergehen dürfen, weil der gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG als Vollstreckungstitel geeignete gerichtlich gebilligte Vergleich entgegen § 87 Abs. 2 FamFG dem Beteiligten zu 1. bislang nicht zugestellt worden ist. Insoweit folgt der Senat der im Hinblick auf die Gesetzessystematik überzeugend begründeten Rechtsauffassung, dass das als allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung bestehende, nicht zuletzt im Hinblick auf § 750 Abs. 1 ZPO aus dem allgemeinen Zwangsvollstreckungsrecht bekannte und gemäß § 795 ZPO für sämtliche Vollstreckungstitel geltende Zustellungserfordernis ohne Weiteres auch bei nach § 156 Abs. 2 FamFG gerichtlich gebilligten Umgangsvergleichen zu beachten ist, wenngleich der auf einen "Beschluss" abstellende Wortlaut des § 87 Abs. 2 FamFG zunächst Deutungszweifel begründet (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 573 [574]; Zöller/Feskorn, ZPO, 31. Aufl., § 87 Rdnr. 4; Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 87 Rdnr. 8; Ernst, NZFam 2015, 804 [807]). Hierfür spricht vor allem die Warnfunktion, die der Titelzustellung neben dem nach § 89 Abs. 2 FamFG erforderlichen Hinweis zukommt, für deren Beschränkung auf bestimmte Vollstreckungstitel aber kein sachlicher Grund bestünde. Ferner liegt mit der ausdrücklich ausgesprochenen Billigu...

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