Verfahrensgang

AG Berlin-Köpenick (Aktenzeichen 61 VI S 144/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Nachlassgerichts vom 2. Mai 2018 geändert:

Das Nachlassgericht wird angewiesen, den am 11. Mai 2012 erteilten Erbschein zur Geschäftsnummer 61 VI S 144/12 einzuziehen.

Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Die Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 1) ist der eheliche Sohn des Erblassers und der Beteiligten zu 2). Die Eheleute waren bis zum Tod des Erblassers verheiratet. Aus dieser Ehe stammt auch die Tochter T..., die Schwester des Beteiligten zu 1). Er begehrt die Einziehung des vom Amtsgericht Köpenick erteilten Erbscheins vom 11. Mai 2012, der die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin des Erblassers ausweist.

Die Eheleute haben am 20. März 1992 ein gemeinschaftliches Testament verfasst, über dessen Auslegung zwischen den Beteiligten Streit besteht.

Der Text des gemeinschaftlichen Testamentes lautet auszugsweise wie folgt:

"Unser letzter Wille

1. Wir, die Eheleute ... setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Überlebenden setzen wir unsere Kinder, F... und T..., zu Erben ein.

2. Sollte eines unserer Kinder nach dem Erstversterbenden den Pflichtteil verlangen, soll es auch nach dem Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten.

3. Das Grundstück mit Bebauung soll unbedingt unser Sohn F... erhalten.

Bei der Bewertung ist davon auszugehen, daß die Gewächshäuser und der Schuppen ihm zu 50% gehörten.

Berlin, den 20. März 1992 [folgt die Unterschrift G... S... ]

Dieses Testament ist auch mein letzter Wille

Berlin, den 20. März 1992 [folgt die Unterschrift von E... S... ]"

Das gemeinsam von den Eheleuten und dem Beteiligten zu 1) bewohnte Grundstück stand im Miteigentum der Eheleute und stellte deren gesamtes Vermögen dar. Die Tochter T... hatte kein Interesse an dem Hausgrundstück. Im Familienkreis war im Zusammenhang mit der Testamentserrichtung deshalb besprochen worden, dass der Beteiligte zu 1) das Grundstück erhalten sollte, wenn der letzte Elternteil verstorben ist. Er sollte dafür eine Ausgleichszahlung an die Schwester T... leisten. Zugleich wollten sich die Eheleute gegenseitig finanziell absichern, sollte ein Ehepartner versterben.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Eheleute sich gegenseitig zu unbeschränkten Vollerben eingesetzt haben oder ob das Testament im Sinne einer Einsetzung der Beteiligten zu 2) zur Vorerbin auszulegen ist.

Der Beteiligte zu 1) befürchtet, dass das Grundstückseigentum unentgeltlich auf den Sohn der Tochter T... übertragen werden soll (Bl. 59 d. A.) und macht geltend, dass eine unentgeltliche Weitergabe des Grundstücks nichts mit der finanziellen Absicherung des überlebenden Ehepartners zu tun und nicht dem Willen des Erblassers entsprochen habe.

Die Beteiligte zu 2) hat zwei eidesstattliche Versicherungen eingereicht. In ihrer eigenen hat sie erklärt: "Wir waren uns beide einig, daß in erster Linie wir uns gegenseitig als Alleinerbe einsetzen. Vorrangig war uns wichtig, uns gegenseitig abzusichern. Der länger Lebende kann, wenn nötig, entscheiden; wenn die Entscheidung zum Besten ist" (Bl. 42 d. A.). In derjenigen der Tochter T... heißt es: "In gemeinsamen Gesprächen, insbesondere während der Krebserkrankung meines Vaters, wurde mir wiederholt bestätigt, dass meine Eltern sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen und das der länger Lebende alle vermögensrechtlichen Entscheidungen treffen darf" (Bl. 43 d. A.).

Das Nachlassgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Antrag auf Einziehung des erteilten Erbscheins zurückgewiesen. Aus dem eindeutigen Wortlaut des Testamentes ergebe sich, dass die Ehegatten sich ohne Einschränkung als Alleinerben einsetzen wollten. Dies werde durch die eidesstattlichen Versicherungen bestätigt und entspreche auch der allgemein üblichen Motivation bei Berliner Testamenten. Der Passus bezüglich des Grundstücks stelle eine Teilungsanordnung dar.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde, mit der er weiterhin die Einziehung des Erbscheins begehrt. Zu den Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist begründet. Der erteilte Erbschein ist unrichtig und gemäß § 2361 BGB einzuziehen, weil die Beteiligte zu 2) nicht Vollerbin des Erblassers geworden ist. Entsprechend ist das Nachlassgericht anzuweisen.

Die Auslegung des gemeinschaftlichen Testamentes führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass die Beteiligte zu 2) lediglich befreite Vorerbin des Erblassers geworden ist.

1) Gemäß § 133 BGB ist bei der Auslegung der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Dieser Aufgabe kann der Richter nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt. Es geht dabei nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens des E...

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