Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Betreuung des gemeinsamen Kindes durch beide Elternteile im Verhältnis von 45% zu 55% kann von einem unterhaltsrechtlichen paritätischen Wechselmodell, bei dem beide Elternteile quotal für den Unterhaltsbedarf des Kindes einzustehen haben, noch keine Rede sein.

2. Der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Sorge- und Umgangssachen (Beschluss vom 1. Februar 2017 - XII ZB 601/15, BGHZ 214, 31) anerkannte Grundsatz, dass ein paritätisches Wechselmodell nur angeordnet werden kann, wenn zwischen den Eltern eine tragfähige Kommunikations- und Kooperationsbasis besteht, kann vom grundsätzlichen Denkansatz her als wertendes Element herangezogen werden, um die Frage zu entscheiden, ob ein spezifisches, von den Eltern praktiziertes Betreuungsmodell bereits als echtes Wechselmodell qualifiziert werden kann: Denn ohne eine gewisse Basis bei der Kommunikation und Kooperation der Eltern ist es auch aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht vorstellbar, wie die Eltern in der Lage sein wollen, die mit zunehmenden Alter des Kindes immer wichtiger werdenden organisatorischen Aspekte der Kinderbetreuung im Wechselmodell wahrzunehmen.

3. Zur Frage, ob der vom pflichtigen Elternteil geschuldete Barunterhalt zu mindern ist, weil der betreffende Elternteil für das unterhaltsberechtigte Kind regelmäßig Bekleidung kauft, Reisen finanziert oder sonstige Ausgaben bestreitet.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 129 F 7317/14)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 1. Juni 2016 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - 129 F 7317/14 - wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von 6.376 EUR zurückgewiesen mit der Maßgabe zu Ziff. II.1 des Tenors, dass der Antragsteller über den Anerkenntnisteil- und Versäumnisteilbeschluss vom 6. Januar 2016 hinaus verpflichtet ist, an die Antragstellerin zu Händen der Mutter rückständigen Unterhalt für die Monate April 2014 bis Mai 2016 in Höhe von (lediglich) 1.189 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von

  • jeweils 16 EUR ab dem 4. April 2014, 4. Mai 2014, 4. Juni 2014, 4. Juli 2014, 4. August 2014, 4. September 2014 und 4. Oktober 2014;
  • jeweils 66 EUR ab dem 4. November 2014, 4. Dezember 2014, 4. Januar 2015, 4. Februar 2015, 4. März 2015, 4. April 2015, 4. Mai 2015, 4. Juni 2015 und 4. Juli 2015;
  • jeweils 78 EUR ab dem 4. August 2015, 4. September 2015, 4. Oktober 2015, 4. November 2015 und 4. Dezember 2015 sowie
  • jeweils 20 EUR ab dem 4. Januar 2016 und 4. Februar 2016 und
  • 53 EUR ab dem 4. März 2016

zu zahlen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über den Kindesunterhaltsanspruch der am ... 2008 geborenen Antragstellerin gegen den Antragsgegner, ihren Vater.

Der Antragsgegner ist Beamter der B... und arbeitete zunächst Vollzeit im Schichtdienst. Aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Dienstherrn arbeitete er ab dem 1. April 2016 lediglich noch mit 80% seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Er hat seit November 2012 ein Gewerbe für "Kabelverleger, Installateur, Holz- und Bautenschutz, Garten- und Baumpflegearbeiten, Hausmeisterservice, Facility Management" angemeldet. Die elterliche Sorge für die Antragstellerin steht beiden Eltern gemeinsam zu. Im März 2012 trennten sich die Eltern. Die Betreuung der Antragstellerin wurde von ihnen zunächst so gehandhabt, dass der Antragsgegner diese alle fünf Tage für vier volle Tage betreute (innerhalb eines 9-Tage-Zeitraums an vier Tagen); die Übergabe erfolgte jeweils am Abend des letzten Betreuungstages. Am 7. Oktober 2016 einigten sich die Eltern im Verfahren Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg 129 F 16610/15, dass der Antragsgegner die Antragstellerin innerhalb eines Blocks von insgesamt zwanzig Tagen - der Schichtdienst des Antragsgegners gestaltet sich so, dass an eine fünftägige Blockarbeitszeit sich fünf Tage anschließen, an denen er nicht arbeiten muss und sodann wieder fünf Arbeitstage - die Antragstellerin an insgesamt 9 Tagen betreut, nämlich zunächst während eines Blocks von vier Tagen, dann, nach dem nächsten "Arbeitszeitblock", an fünf weiteren Tagen. Der Wechsel findet an Schultagen jeweils nach der Schule statt; im Übrigen jeweils um 10 Uhr. Die Mutter der Antragstellerin und der Antragsgegner sind sich einig, dass die Betreuung der Antragstellerin ab Oktober 2017 zu 55% von der Mutter und zu 45% vom Antragsgegner wahrgenommen wird. Die Antragstellerin besucht nach der Schule den Hort; die Kosten hierfür werden allein von ihrer Mutter getragen.

Die von der Mutter der Antragstellerin geforderten moderierten Gespräche mit dem Antragsgegner bei der Erziehungsberatungsstelle des Jugendamtes wurden Anfang 2016 aufgrund der völlig verhärteten Fronten abgebrochen, eine Kommunikation der Eltern über die Belange des Kindes soll praktisch nicht stattfinden.

Die Mutter der Antragstellerin forderte den Antragsgegner mit Schreiben vom 28. März 2014, diesem (spätestens) am 1. April 2014 zugegangen, zur...

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