Leitsatz (amtlich)

Ein in eine Autobahn einfahrender Verkehrsteilnehmer hat dem Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt zu gewähren (§ 18 Abs. 3 StVO); er muss dazu den Verkehr auf der Autobahn beobachten und den Beschleunigungsstreifen so ausnutzen, dass ihm ein entsprechender Kontrollblick möglich ist.

Der bevorrechtigte Verkehrsteilnehmer darf auf die Beachtung seiner Vorfahrt vertrauen.

Kommt es in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Vorfahrtsverletzung zu einem Unfall, hat der Wartepflichtige den Anschein schuldhafter Vorfahrtverletzung gegen sich mit der Folge, dass er regelmässig den gesamten Schaden zu tragen hat.

Eine Schadensteilung kommt dann in Betracht, wenn der Bevorrechtigte den Unfall hätte vermeiden können.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 549/04)

 

Tenor

1. Es wird gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

A. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

B. Beides ist hier nicht der Fall. Die angefochtene Entscheidung ist jedenfalls im Ergebnis richtig: Eine über die zuerkannte Quote von zwei Dritteln hinausgehende Haftung der Beklagten für die Schäden des Klägers aus dem Unfall vom 8.3.2004 im Bereich der Autobahneinfahrt Siemensdamm auf dem Stadtring in Berlin ist nicht gerechtfertigt.

I. Zu Recht weist der Kläger in der Berufungsbegründung allerdings darauf hin, dass das LG unzutreffend im Tatbestand auf S. 2 des angefochtenen Urteils eine Kollision der Fahrzeuge bei einem bereits durchgeführten Einfädelvorgang des Beklagtenfahrzeuges in den fließenden Verkehr auf der Autobahn in Richtung Süden als unstreitig angesehen hat.

Der genaue Ort der Kollision war und ist nämlich zwischen den Parteien streitig.

Bereits nach der Unfallschilderung in der Klageschrift soll der Beklagte zu 1) mit dem Reisebus (nach vorheriger Missachtung einer Sperrung des rechten Autobahnfahrstreifens durch eine Balkenanlage und durch Schraffierungen) in den vom Kläger genutzten Beschleunigungsstreifen eingefahren sein und dort dessen VW-Transporter beschädigt haben. Diese Darstellung hat der Kläger ausdrücklich im Verlauf des Rechtsstreits aufrechterhalten (z.B. im Schriftsatz vom 10.1.2005, dort S. 1; auch Schriftsatz vom 7.12.2004, S. 2: "Der Verkehrsunfall selbst, d.h. der Anstoßpunkt der Fahrzeuge hat auf dem Beschleunigungsstreifen gelegen, in welchen der Beklagte zu 1) auch noch eingefahren war"; Schriftsatz vom 10.1.2005, S. 1).

Die Beklagten hingegen haben vorgetragen, der Kläger sei - ohne sich über den rückwärtigen Verkehr zu vergewissern - aus dem Beschleunigungsstreifen auf die Autobahn gewechselt und habe durch Unaufmerksamkeit den Unfall verursacht (z.B. Schriftsatz vom 26.11.2004, S. 2).

Diesen Sach- und Streitstand gibt das Urteil nicht zutreffend wieder.

II. Der Fehler des LG führt im Ergebnis jedoch nicht zu einer anderen Beurteilung der Sache.

1. Bei der hier vorzunehmenden Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Unfallbeteiligten nach § 17 Abs. 1 StVG sind nur bewiesene unfallursächliche Umstände zu berücksichtigen. Diesen Grundsatz hat das LG zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt (UA 4).

2. Danach hat der Kläger die von ihm behauptete Kollision des Beklagtenfahrzeuges mit seinem VW-Bus im Beschleunigungsstreifen (die wegen eines damit verbundenen Fahrstreifenwechsels des Beklagtenfahrzeuges von der Autobahn in den Beschleunigungsstreifen und den daran anknüpfenden Anscheinsbeweis für eine Alleinhaftung der Beklagten sprechen könnte) nicht bewiesen.

a) Der vom Kläger für den Unfallhergang benannte Zeuge K. hat in seiner Vernehmung vor dem LG am 20.9.2005 den genauen Kollisionsort nicht bezeichnen können. Ausweislich des Protokolls hat er zunächst bekundet: "Wir befanden uns mit dem klägerischen Fahrzeug etwa auf der Grenze der Zufahrt und der rechten Spur der Autobahn, als der Beklagten-Bus auf der rechten Spur ankam und das Fahrzeug des Klägers von hinten links und bis nach vorne gestreift hatte und dann weitergefahren ist". Sodann hat er erklärt: "Wenn ich gefragt werde, an welcher Stelle des Beschleunigungsstreifens der Unfall geschehen ist, erkläre ich, dass ich dies nicht mehr genau weiß". Der vom Zeugen gefertigten Skizze (Bl. 94 d.A.) ist zum genauen Kollisionsort gleichfalls nicht zu entnehmen.

b) Der Zeuge Z., den der Kläger weiter benannt hat, konnte im Termin am 20.9.2005 vor dem LG nicht vernommen werden, weil laut Protokoll eine Verständigung mit ihm ohne Dolmetscher nicht möglich war.

Eine Vernehmung dieses Zeugen war und ist nicht angezeigt. Es erscheint schon z...

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