Leitsatz (amtlich)

1. Wenn Ehegatten, die zunächst im Libanon nach schiitischem Ritus vor dem Dschafariya-Gericht eine wirksame Ehe geschlossen habe und wenige Monate später in Spanien vor dem Standesamt die Ehe schließen, handelt es sich bei der zweiten Eheschließung nicht um eine Doppelehe, sondern um eine wiederholende Eheschließung.

2. Das Verbot der Doppelehe steht einer Wiederholung der Eheschließung mit demselben Ehegatten trotz bestehender Ehe nicht entgegen.

3. Eine wiederholt geschlossene Ehe ist nur einmal zu scheiden.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 28 F 2909/21)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der am 4. Dezember 2021 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Pankow - 28 F 2909/21 -, mit dem der in dieser Sache erlassene Beschluss des Familiengerichts vom 6. Juli 2021 über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zugunsten der Antragstellerin aufgehoben wurde, ersatzlos aufgehoben und der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe nach Maßgabe des familiengerichtlichen Beschlusses vom 6. Juli 2021 gewährt.

Gerichtsgebühren sind nicht zu erheben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass das Familiengericht die ihr mit dem am 6. Juli 2021 erlassenen Beschluss gewährte Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverfolgung in einem Ehescheidungsverfahren mit dem angegriffenen, am 4. Dezember 2021 erlassenen Beschluss aufgehoben hat.

Die Antragstellerin, die libanesische Staatsangehörige schiitischer Konfession ist, hat beantragt, die am 29. Dezember 2007 mit dem Antragsgegner, der zwar im Libanon geboren ist, aber die spanische Staatsangehörigkeit besitzt und ebenfalls schiitischer Konfession ist, vor dem Standesamt von A ... de H ... in der spanischen Provinz Guadalajara eingegangene Ehe zu scheiden. Der Antragsgegner hat zwar eingeräumt, dass die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben, möchte aber im Interesse der drei gemeinsamen, aus der Ehe hervorgegangenen Kinder an der Ehe zunächst noch festhalten. Weiter hat er vorgetragen, dass die Ehegatten bereits vor der Eheschließung in Spanien im Libanon geheiratet haben und die entsprechende, am 27. Juli 2007 in T ..., einer östlich von Ty ... gelegenen Kleinstadt ausgestellte und am 26. Januar 2008 vom Dschafariya-Gericht T ... bewilligte sowie beim libanesischen Standesamt eingereichte Heiratsurkunde vorgelegt. Hierzu hat er vorgetragen, dass die in Spanien geschlossene Ehe für die Beteiligten seinerzeit der schnellere Weg für einen Familiennachzug der Antragstellerin aus dem Libanon zum Antragsgegner nach Spanien gewesen sei, da die Anerkennung der im Libanon geschlossenen Ehe längere Zeit in Anspruch genommen hätte. Die Antragstellerin räumt diesen Sachverhalt im Kern ein und trägt ergänzend vor, sie sei mit einem Touristenvisum nach Spanien eingereist. Sie meint, die in Spanien geschlossene Ehe sei wirksam. Diese Ehe sei zu scheiden, weil es sich um die zeitlich früher geschlossene Ehe handele. Denn die im Libanon geschlossene Ehe sei erst am 26. Januar 2008 bei Gericht registriert worden. Der Antragsgegner hat das bestritten: Die Eheschließung im Libanon sei am 27. Juli 2007 erfolgt; die dort geschlossene Ehe sei lediglich erst am 26. Januar 2008 in die staatlichen Register eingetragen worden.

Das Familiengericht hat der Antragstellerin, nachdem es dem Antragsgegner auf ihren Antrag, die "spanische Ehe" zu scheiden, rechtliches Gehör gewährt hatte - dieser hat sich nicht geäußert -, mit Beschluss vom 6. Juli 2021 Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Nachdem der Antragsgegner auf die zeitlich frühere Eheschließung im Libanon hingewiesen hat, hat das Familiengericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 4. Dezember 2021 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Scheidung der "spanischen Ehe" aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin habe das Streitverhältnis unrichtig dargestellt und damit über die für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen getäuscht, so dass die Bewilligung aufzuheben sei. Denn sie habe gewusst, dass sie vor der Erklärung vor dem spanischen Standesamt, mit dem Antragsgegner die Ehe eingehen zu wollen, bereits mehrere Monate zuvor, im Libanon, die Ehe mit dem Antragsgegner geschlossen habe. Bei der "spanischen Ehe" handele es sich daher um eine Nichtehe, die nicht geschieden werden könne und damit habe die Antragstellerin über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe getäuscht.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des (Widerrufs-) Beschlusses vom 4. Dezember 2021 und eine Wiederherstellung der ursprünglichen Verfahrenskostenhilfebewilligung anstrebt. Sie macht geltend, nicht beabsichtigt zu haben, über die Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zu täuschen, sondern die Vorgänge im Libanon in rechtlicher Hinsicht unzutreffend eingeordnet zu haben: Aufgrund eines Missverstän...

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