Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beschwerdeberechtigung des Jugendamts, wenn dieses sich gegen seine Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger wendet sowie, wenn vom Jugendamt die der Auswahl und Bestellung zugrunde liegende familiengerichtliche Anordnung von Ergänzungspflegschaft angegriffen wird.

2. Dagegen, dass das Familiengericht das Ruhen der elterlichen Sorge eines Elternteils feststellt, obwohl dieser Elternteil geschäftsunfähig ist und seine Sorge daher bereits von Gesetzes wegen ruht, bestehen keine Bedenken; eine derartige deklaratorische Feststellung entspricht einem anerkannten, praktischen Bedürfnis.

3. Zur Frage, ob die Geltendmachung von öffentlichen Mitteln und Unterstützungsleistungen (hier: nach dem SGB II) für ein minderjähriges Kind durch einen Elternteil der Personensorge oder der Vermögenssorge zuzuordnen ist.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 02.07.2015; Aktenzeichen 152 F 9367/15)

 

Tenor

Die Beschwerde des Ergänzungspflegers gegen den am 2.7.2015 erlassenen Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - 152 F 9367/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Mutter derzeit nicht an der Ausübung der elterlichen Sorge im Bereich der Vermögenssorge für ihren Sohn B.G.verhindert ist, sondern dass die elterlichen Sorge der Mutter für den am 18.3.1999 geborenen Jugendlichen B.G.im Bereich der Beantragung und Entgegennahme öffentlicher Sozialhilfeleistungen ruht.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

Der Beschwerdewert wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit der am 17.7.2015 beim AG Tempelhof-Kreuzberg eingegangenen Beschwerde wendet sich das Bezirksamt Ch...-W...von B.- Jugendamt - gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 2.7.2015, mit dem das Familiengericht - Rechtspfleger - eine Verhinderung der allein sorgeberechtigten Mutter, die Vermögenssorge für den Jugendlichen auszuüben, festgestellt, Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Vermögenssorge" angeordnet und das Jugendamt als Pfleger ausgewählt hat. Zur Begründung hat das Familiengericht darauf verwiesen, dass akuter Handlungsbedarf bestünde: Der Jugendliche und dessen unter Betreuung stehende Mutter, die beide in einem Haushalt leben und in sozialrechtlicher Hinsicht eine "Bedarfsgemeinschaft" bildeten, hätten bislang Leistungen nach dem SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen. Nachdem der Bezug von SGB II-Leistungen bei der Mutter endete, da diese wegen Erwerbsunfähigkeit verrentet wurde und folglich Leistungen der Grundsicherung im Alter (§§ 41 ff. SGB XII) erhielt, sei niemand mehr da, um für den Jugendlichen die entsprechenden Anträge auf Fortdauer seines SGB II-Bezuges zu stellen. Die Mutter sei aufgrund ihrer fehlenden Geschäftsfähigkeit im Rechtssinne hierzu nicht in der Lage. Der Jugendliche sei ebenfalls nicht in der Lage, für sich den entsprechenden Folgeantrag zu stellen und die Betreuerin der Mutter, die die Einleitung des entsprechenden Verfahrens angeregt hat, sei aus Rechtsgründen daran gehindert, für den Jugendlichen entsprechende Anträge zu stellen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Der Beschwerdeführer, das Jugendamt, wendet sich dagegen, dass das Familiengericht ihn entgegen seinem Willen als Ergänzungspfleger ausgewählt und bestellt hat; von ihm wird geltend gemacht, dass es sich bei der Geltendmachung von öffentlichen Mitteln und Unterstützungsleistungen nicht um eine von der Vermögenssorge umfasste Aufgabe handele, sondern dass dies eine Frage der Personensorge sei sowie weiter, dass der Jugendliche, den sozialrechtlichen Bestimmungen zufolge (§ 36 Abs. 1 SGB I), selbst berechtigt sei, entsprechende Anträge zu stellen und Sozialleistungen entgegenzunehmen; eines Ergänzungspflegers bedürfe er nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 8.7.2015 und die Beschwerdeschrift vom 17.7.2015 Bezug genommen.

Die Betreuerin der Mutter verteidigt den familiengerichtlichen Beschluss unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie weist darauf hin, dass der Jugendliche in jeder Hinsicht hilfsbedürftig sei; bereits in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass weder die Mutter noch der Jugendliche in der Lage gewesen seien, ihre wirtschaftlich-finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln. In der Vergangenheit habe es deshalb bereits wiederholt ernste, existenzbedrohende Schwierigkeiten gegeben: So hätten Mutter und Sohn bereits einmal die Wohnung verloren, weil die Mutter es verabsäumt habe, rechtzeitig die Weiterbewilligung von Sozialhilfeleistungen zu beantragen - dies sei Anlass gewesen, für die Mutter eine rechtliche Betreuung einzurichten - und der Jugendliche habe ernste Schwierigkeiten u.a. mit einem Mobilfunk-Dienstleistungsvertrag gehabt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 17.7.2015 und vom 7.8.2015 verwiesen.

II.1. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58 ff. FamFG). Insbeson...

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