Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfung des Ablaufs von Rechtsmittelbegründungsfristen

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 31.07.2003; Aktenzeichen 34 O 293/02)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten vom 10.11.2003 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.7.2003 verkündete Urteil des LG Berlin – 34 O 293/02 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 6.646,79 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, denn sie hat die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Berufungsbegründungsfrist kann sie nicht verlangen, denn sie war an der Einhaltung der Frist nicht ohne ihr Verschulden gehindert, § 233 ZPO.

A. Die Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 ZPO versäumt mit der Folge, dass die Berufung nach § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen ist.

Der Lauf der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist beginnt mit Zustellung des angefochtenen Urteils, hier also am 28.8.2003. Die Frist ist damit am Dienstag, den 28.10.2003, abgelaufen. Die Berufungsbegründungsschrift vom 29.10.2003 ist per Fax erst an diesem Tag und damit nach Fristablauf eingegangen.

B. Die Voraussetzungen für die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich dieser Frist liegen nicht vor.

I. Nach § 233 ZPO ist einer Partei auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden, die mit dem Tag beginnt, an dem das Hindernis behoben ist, § 234 ZPO. Dabei steht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich, § 85 Abs. 2 ZPO. Für Verschulden Dritter, also von Personen, die nicht ihre gesetzlichen Vertreter sind (z.B. anwaltliches Büropersonal), haftet die Partei nicht; insofern kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, wenn mitwirkendes eigenes Verschulden der Partei oder ihres Vertreters – etwa bei Auswahl oder Überwachung – auszuschließen ist.

II. Eine derartige schuldlose Fristversäumnis hat die Beklagte nicht dargelegt und glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 ZPO). Zwar hat sie in ihrem fristgerecht eingereichten Wiedereinsetzungsantrag das in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten angewandte System der Fristenkontrolle durch deren Büropersonal geschildert und auch dessen anwaltliche Kontrolle dargelegt. Aus ihrem Vortrag ergibt sich jedoch zugleich ein anwaltlicher Fehler bei der Fristenüberprüfung, für den sie nach § 82 Abs. 2 ZPO einstehen muss.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, hat ein Anwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakten, wohl aber dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insb. zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. Eine Anweisung an das Büropersonal kann ihn von dieser Verpflichtung nicht befreien (vgl. BGH v. 5.11.2002 – VI ZB 40/02, MDR 2003, 299 = BGHReport 2003, 252 = NJW 2003, 437; NJW 1992, 1632; zusammenfassend Kummer, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, 2003, Rz. 502 ff. m.w.N.).

2. Der Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind nach eigenem Vorbringen die Akten vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 28.10.2003 dreimal zur Bearbeitung vorgelegt worden, und zwar am 8., 15. und 22.10.2003. Dies ergibt sich auch aus dem in Kopie als Anlage W 1 vorgelegten Rotfristzettel. Bei Prüfung der Fristberechnung hätte die Beklagtenvertreterin den Berechnungsfehler bemerkt und die Berufung fristgerecht begründen können.

Damit war neben einem Berechnungsfehler des Büropersonals auch für die Fristversäumnis ursächlich, dass die Prozessbevollmächtigte die Fristberechnung nicht oder fehlerhaft nachgeprüft hat. Dies verhindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1130609

KG-Report 2004, 305

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