Leitsatz (amtlich)

1. Der Widerruf der Erklärung, mit der ein Verfahrenskostenhilfeantrag zurückgenommen wurde, führt nicht dazu, dass deshalb vom Gericht Verfahrenskostenhilfe zu gewähren ist, wenn der Beteiligte fristgebundenen gerichtlichen Auflagen nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht nachgekommen ist.

2. Die Erteilung einer Auflage nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO berechtigt den verfahrenskostenhilfebedürftigen Beteiligten nicht dazu, anstatt der verlangten Auskunft auf eine bestimmte Frage stattdessen einen neuen Verfahrenskostenhilfeantrag mit neuem Zahlenwerk anzubringen.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 14 F 4376/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Mutter gegen den am 30. Juni 2022 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Pankow - 14 F 4376/20 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Mutter dagegen, dass das Familiengericht ihren Antrag zurückgewiesen hat, ihr für die Rechtsverteidigung in einem erstinstanzlichen Kindesentführungs- (HKÜ-) Verfahren Verfahrenskostenhilfe zu gewähren, ist zwar zulässig, aber offensichtlich nicht begründet:

1. a) Ursprünglich hat die Mutter im erstinstanzlichen Rückführungsverfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen Verfahrenskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen den vom Vater anhängig gemachten Antrag begehrt, das Kind nach Norwegen zurückzuführen. Am Ende des erstinstanzlichen Erörterungstermins vom 25. August 2020 hat das Familiengericht ihr die Auflage erteilt, bestimmte Unterlagen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nachzureichen. Das Familiengericht hat, nachdem es die nachgereichten Unterlagen geprüft hat, die Mutter mit Schreiben vom 31. August 2020 - an gleichen Tag hat das Familiengericht die erstinstanzliche Endentscheidung erlassen - darauf hingewiesen, dass ihrem Antrag nicht stattgegeben werden könne, weil ihr Vermögen den Betrag des "Schonvermögens" nach §§ 14 Nr. 2 IntFamRVG, 76 Abs. 1 FamFG, 115 Abs. 3 ZPO übersteige. Unter Setzung einer zweiwöchigen Frist nach § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO hat das Familiengericht die Mutter aufgefordert, sich zu erklären, ob sie an ihrem Verfahrenskostenhilfeantrag weiter festhalten wolle. Daraufhin hat die Mutter innerhalb der gesetzten Frist erklärt, an dem Antrag festzuhalten und zusätzlich vorgetragen, bei den Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen ein ihr gewährtes (Privat-) Darlehen übersehen zu haben. Daraufhin wies das Familiengericht die Mutter unter dem 16. Oktober 2020 auf Dunkelheiten und weitere "Ungereimtheiten" in ihrem ergänzenden Vortrag hin und hat unter erneuter Setzung einer Frist von zwei Wochen weitere Erläuterungen und Glaubhaftmachung ihres Vortrags gefordert. Ein entsprechender Vortrag der Mutter erfolgte indessen nicht, sondern sie hat mit Schriftsatz ihres (seinerzeitigen) Verfahrensbevollmächtigten vom 28. Oktober 2020 erklärt, den Verfahrenskostenhilfeantrag zurückzunehmen.

b) Im Rahmen der Begründung einer Erinnerung vom 12. März 2022 gegen eine Kostenrechnung - zu diesem Zeitpunkt war bereits über die von der Mutter gegen die familiengerichtliche Rückführungsentscheidung eingelegte Beschwerde vom Senat entschieden und ihr Rechtsmittel durch Beschluss vom 23. Dezember 2020 zurückgewiesen worden (16 UF 1076/20) - widerrief die Mutter, durch einen neuen Verfahrensbevollmächtigten vertreten, die Rücknahme ihres erstinstanzlichen Verfahrenskostenhilfeantrages vom 28. Oktober 2020, legte neue Gehaltsabrechnungen vor und begehrte auf dieser Basis Verfahrenskostenhilfe für das (bereits abgeschlossene) erstinstanzliche Verfahren.

2. Bei dieser Sachlage hat das Familiengericht den am 12. März 2022 angebrachten Antrag der Mutter mit zutreffenden Erwägungen, die sich der Senat zu eigen macht, zu Recht zurückgewiesen. Auch ihr Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung:

a) Ob die erfolgte Rücknahme des Verfahrenskostenhilfeantrags vom 28. Oktober 2020 nach bestandskräftigem Verfahrensabschluss in erster und zweiter Instanz überhaupt noch möglich ist, kann dahingestellt bleiben, weil im Ergebnis heute unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Verfahrenskostenhilfe für ein durch Beschluss vom 31. August 2020 erstinstanzlich abgeschlossenes und mittlerweile auch in der Beschwerdeinstanz bestandskräftig beendetes Verfahren mehr gewährt werden kann:

b) Zwei Gründe sind hierfür maßgeblich:

(aa) Aus dem Gesetz ergibt sich, dass Verfahrenskostenhilfe nur für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung gewährt werden kann (§ 114 Abs. 1 ZPO):

Bereits das Reichsgericht hat dazu klargestellt, dass im Rahmen des damaligen "Armenrechts" § 114 ZPO dahingehend auszulegen ist, dass "das 'Armenrecht' nicht mehr bewilligt werden kann, wenn dieser Zweck des Gesetzes [gemeint: ... "einer Partei, die außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten eines Rechtsstreits zu bestreiten, dessen Durchführung zu ermöglichen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreiche...

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