Entscheidungsstichwort (Thema)

Barunterhaltsbedarf eines minderjährigen Kindes

 

Normenkette

BGB § 1610 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 20 F 1730/01)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des AG Pankow/Weißensee vom 19.4.2001 geändert:

Der Klägerin wird unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt H.V., Prozesskostenhilfe für den Antrag im Schriftsatz vom 19.3.2001 bewilligt.

 

Gründe

Die 11-jährige Klägerin, deren Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben und sie hälftig betreuen, beantragt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung von Barunterhalt gegen den Vater in Höhe der Hälfte des Tabellenbetrags abzgl. des hälftigen Kindergeldes. Der Beklagte bezieht das Kindergeld und zahlt die Hälfte an die Mutter. Er lehnt eine Zahlung von Barunterhalt ab, da er wegen der hälftigen Betreuung durch beide Eltern von einer Verrechnung der wechselseitig für die Zeit der Betreuung durch den anderen Elternteil bestehenden Barunterhaltsansprüche ausgeht.

Er meint, er schulde auch keinen höheren Unterhalt als die Mutter, da er wegen der Betreuung der Klägerin mit seiner vollschichtigen Tätigkeit teilweise überobligatorisch erwerbstätig sei, so dass ein Betreuungsbonus abzuziehen sei. Ferner müsse der Mutter ein fiktives Einkommen zugerechnet werden, da sie mit Rücksicht auf die Unterhaltspflicht ggü. der Klägerin nicht studieren dürfe, sondern ebenfalls erwerbstätig sein müsse. Das AG hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die durch einen bestellten Ergänzungspfleger vertreten wird.

Die gem. § 127 Abs. 2 S. 1 ZPO zulässige Beschwerde hatte Erfolg.

Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da sie bedürftig ist und die tatsächlichen Voraussetzungen ihres Anspruchs auf Barunterhalt gem. § 1610 Abs. 1 BGB ggü. dem Beklagten schlüssig dargelegt hat.

1. Der Klägerin steht ggü. dem Beklagten ein Anspruch auf Barunterhalt zu, denn dieser teilt sich ihre Betreuung hälftig mit der Mutter.

Teilen sich die Eltern eines minderjährigen Kindes die Betreuung hälftig, hat das Kind gegen jeden Elternteil einen Barunterhaltsanspruch für die Zeit, in der es von dem anderen Elternteil betreut wird. Bei hälftiger Betreuung durch die Eltern ist die Gewährung des bei der Betreuung geleisteten Naturalunterhalts bei der Bemessung des Kindesunterhalts pauschal mit der Hälfte des geschuldeten Barunterhalts abzusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.1999 – 3 UF 102/98, FamRZ 1999, 1530).

Der Bedarf der Klägerin richtet sich vorliegend allein nach dem Einkommen des Beklagten, das ca. 3.326 DM beträgt (3.231,69 × 13/12 = 3.500,99 – 175,04 Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen = 3.326 DM) und somit nach der Einkommensgruppe 3, Altersstufe 2 der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen ist. Maßgeblich ist die aktualisierte nunmehr gültige Tabelle vom 1.7.2001, da die Zahlung ab Klagezustellung beantragt wird.

Schlüssig dargelegt ist bisher nur ein Einkommen des Beklagten i.H.v. 3.326 DM, da konkrete Angaben zur Höhe von Steuererstattungen fehlen. Das Einkommen des Beklagten ist nicht zu mindern um den Abzug eines Betreuungsbonus. Zwar kann in den Fällen, in denen ein Elternteil vollschichtig erwerbstätig ist, obwohl er wegen der Betreuung eines Kindes dazu nicht verpflichtet wäre, aus Billigkeitsgründen der Abzug eines Betreuungsbonus vom Einkommen in Betracht kommen (BGH v. 19.5.1982 – IVb ZR 702/80, MDR 1982, 999 = FamRZ 1982,779 [780]; Urt. v. 26.1.1983 – IVb ZR 344/81, FamRZ 1983, 569 [570]; zuletzt NJW 2001, 975), was insbesondere bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt eine Rolle spielen kann. Vorliegend geht es aber um die Berechnung von Unterhalt für ein minderjähriges Kind, so dass andere Maßstäbe gelten (OLG Schleswig v. 4.9.1989 – 15 WF 159/89, FamRZ 1990, 657= DAVorm 1990, 253 [254]). Denn dem Beklagten obliegt ggü. dem minderjährigen Kind gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht, die zur Folge hat, dass alle verfügbaren Mittel für den Kindesunterhalt zur Verfügung zu stellen sind, wozu auch Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit gehören (Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 2 Rz. 312). Anhaltspunkte dafür, dass aus Billigkeitsgründen eine abweichende Handhabung geboten ist, sind nicht ersichtlich, zumal die Mutter des Kindes offenbar nicht leistungsfähig ist.

Im Übrigen rechtfertigt auch der bisher vorgetragene Sachverhalt nicht die Beurteilung, dass es sich bei der Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit bei nur zeitweise ausgeübter Betreuung eines 11-jährigen Kindes um eine überobligatorische Erwerbstätigkeit handelt.

Für die Berechnung des Barunterhaltsbedarfs ist hier allein das vom Beklagten erzielte Einkommen maßgeblich.

Zwar wird man in Fällen, in denen die Eltern sich die Betreuung hälftig teilen und eine beiderseitige Barunterhaltspflicht in Betracht kommt, den Bedarf nach dem gemeinsamen Einkommen der Eltern bes...

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