Verfahrensgang

AG Berlin-Lichtenberg (Beschluss vom 19.02.2019; Aktenzeichen 61 M VI 9743/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lichtenberg vom 19. Februar 2019 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 40.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Ausstellung eines Erbscheins, der sie und ihre Tochter, die Beteiligte zu 2), als Erben zu je 1/2 ausweist.

Die Antragstellerin war mit dem 1960 geborenen Herrn M. M. (im Folgenden: Erblasser) verheiratet. Dieser wuchs in der DDR als sogenanntes "Heimkind" auf, seine Mutter ist den Beteiligten unbekannt.

Aus der Ehe ging eine gemeinsame Tochter hervor, die Beteiligte zu 2). Diese bekam ihrerseits im Februar 2016 eine Tochter.

Am 8. Oktober 2018 starb der Erblasser. Er hinterließ keine Verfügungen von Todes wegen.

Mit notarieller Urkunde vom 13. November 2018 - beim Amtsgericht am 14. November 2018 eingegangen - erklärte die Beteiligte zu 2), dass sie die Erbschaft nach dem Erblasser "aus allen Berufungsgründen" ausschlage. Als alleinige Sorgeberechtigte schlage sie die Erbschaft auch für ihre Tochter aus allen Berufungsgründen aus. Die rechtlichen Folgen einer Erbausschlagung seien ihr bekannt.

Mit notarieller Urkunde vom gleichen Tag und vor demselben Notar beantragte die Antragstellerin die Erteilung eines Erbscheins. Darin wird auf die Erbausschlagung der Beteiligten zu 2) und ihrer Tochter Bezug genommen. Der Erblasser sei somit nach gesetzlicher Erbfolge beerbt worden von seiner Ehefrau - der Antragstellerin - als Alleinerbin. Andere Personen, durch die dieser Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen würde oder durch den sein Erbteil gemindert werden würde, seien nicht vorhanden. Die Erklärungen wurden eidesstattlich versichert.

Mit Verfügung vom 21. November 2018 wies das Amtsgericht darauf hin, dass die eidesstattliche Versicherung nicht zutreffend sei. Als Erben seien gemäß § 1931 BGB neben dem Ehegatten auch die Erben der zweiten Ordnung und Großeltern berufen. Es seien deshalb die Sterbeurkunden der Eltern und der Großeltern des Erblassers einzureichen.

Mit notarieller Urkunde vom 18. Dezember 2018 erklärte die Beteiligte zu 2) die Anfechtung der von ihr erklärten Erbausschlagung wegen Irrtums und erklärte zugleich die Annahme der Erbschaft.

Auf die Nachfrage des Amtsgerichts nach dem konkreten Irrtum und dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung erklärte die Beteiligte zu 2), dass die Erbausschlagung in der Erwartung erfolgt sei, dass der Nachlass damit der Antragstellerin nicht mehr nur zur Hälfte, sondern allein zufalle. Nach der Zwischenverfügung habe die Beteiligte zu 2) am 13. Dezember 2018 Rechtsrat eingeholt, wobei ihr die gesetzlichen Gegebenheiten und Rechtsfolgen der Erbausschlagungserklärung und die Erbfolge im Einzelnen erläutert worden seien.

Zur Begründung der Anfechtung verwies die Beteiligte zu 2) im Übrigen auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 21. September 2017 (I-3 Wx 173/17). Danach gehöre zu den unmittelbaren und wesentlichen Rechtsfolgen der Ausschlagung auch das Anfallen der Rechtsstellung beim Nächstberufenen gemäß § 1953 Abs. 2 BGB. Weiter zitiert die Beklagte zu 2) wörtlich aus dem Urteil: "Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Ausschlagende - wenn auch fälschlicher Weise - davon überzeugt war, dass es außer ihr (resp. ihrer minderjährigen Tochter) und der Antragstellerin keine anderen potentiellen Erben gab und dass die Erbschaft daher nach der Ausschlagung zwangsläufig der Antragstellerin in voller Höhe anwachsen würde, liegt daher ein Irrtum über die unmittelbaren und wesentlichen Wirkungen der Ausschlagung vor."

Mit notarieller Urkunde vom 12. Februar 2019 beantragte die Antragstellerin die Erteilung eines Erbscheins, der sie und die Beteiligte zu 2) jeweils zu 1/2 als gesetzliche Erben ausweise.

Mit Beschluss vom 19. Februar 2019 hat das Amtsgericht diesen Antrag zurückgewiesen. Die Anfechtung sei zwar frist- und formgerecht erfolgt, es liege jedoch kein wirksamer Anfechtungsgrund vor. Bei der Vorstellung, die Erbschaft falle aufgrund der Ausschlagung einer bestimmten Person an, handele es sich regelmäßig um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Es sei davon auszugehen, dass sich alle Beteiligten über die gewünschten Rechtsfolgen einig gewesen seien, auch habe die Ausschlagung die Erklärung enthalten, dass die rechtlichen Folgen der Erklärung bekannt seien. Die zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf sei nicht einschlägig, da es dort eine Erbin zweiter Ordnung gegeben habe, deren Existenz den Beteiligten nicht bekannt gewesen sei. Vorliegend gebe es keine positive Kenntnis von Erbberechtigten zweiter Ordnung. Es sei davon auszugehen, dass § 1931 BGB nicht beachtet wurde.

Der Beschluss ist der Beteiligten zu 2) am 22. Februar 2019 zugestellt worden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. März 2019 hat die Beteiligte zu 2) dagegen Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt ...

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