Leitsatz (amtlich)

Die Tilgung einer Vorstrafe im Bundeszentralregister und das Verwertungsverbot des § 51 BZRG stellen wichtige Prüfsteine bei der Beurteilung der Zulässigkeit über die Berichterstattung einer Straftat dar.

 

Normenkette

BGB § 1004

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 27 O 208/23)

 

Tenor

1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin II vom 06.07.2023, Aktenzeichen 27 O 208/23, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge, bezüglich der ersten Instanz unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts Berlin II zu Ziffer 3. des Beschlusses vom 09.05.2023 - 27 O 208/23 -, auf je 20.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin II vom 06.07.2023, Aktenzeichen 27 O 208/23, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats mit Verfügung vom 03.01.2024 Bezug genommen. Darin wurde folgendes ausgeführt:

Die örtliche Zuständigkeit ist vom Senat gemäß § 513 Absatz 2 ZPO nicht zu prüfen. Zwar kann etwas anderes dann gelten, wenn das Landgericht seine Zuständigkeit willkürlich angenommen und damit der Verfügungsbeklagten ihrem gesetzlichen Richter entzogen hätte. Willkür liegt aber nicht vor. Objektiv willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, er beruhe auf sachfremden Erwägungen. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (siehe nur BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 - VI ZR 465/14, Randnummer 18). So liegt es im Fall aber nicht: Die Berufung selbst zitiert die zivilrechtliche Rechtsprechung, die ganz überwiegend die Möglichkeit bejaht, die hiesige Klage unter anderem in Berlin zu erheben. Der Umstand, dass verfassungsrechtliche Kommentatoren die Rechtslage teilweise anders beurteilen, führt nach den genannten BGH-Maßgaben jedenfalls nicht zu Willkür.

Die Berichterstattungen der Verfügungsbeklagten in "... sowie auf ...de vom ... 2023 greifen jeweils in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers ein. Nach einer Abwägung der widerstreitenden Rechte dürften sie, wie vom Landgericht ausgeführt, jeweils rechtswidrig sein. Anders als es von der Berufungsbegründung dargestellt wird, greift die Mitteilung der Tatsache, dass das Landgericht ... den Verfügungskläger vor 17 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verurteilt hatte, nicht unerheblich in die geschützten Rechte des Verfügungsklägers ein. Denn der Verfügungskläger hat auch jenseits eines Interesses an einer Resozialisierung nach Löschung seiner Verurteilung im Strafregister grundsätzlich einen Anspruch darauf, das hierüber zu seinem Schutz, zur Wahrung seines Persönlichkeitsrechts und zum Datenschutz jetzt nicht mehr berichtet wird. Denn, wie es der Verfügungskläger auch geltend macht, die Tilgung einer Vorstrafe im Bundeszentralregister und das Verwertungsverbot des § 51 BZRG stellen wichtige Prüfsteine bei der Beurteilung der Zulässigkeit über die Berichterstattung einer Straftat dar (BVerfG, Beschluss vom 12. März 2007 - 1 BvR 1252/02, NJW-RR 2007, 1340 - juris Randnummer 17; BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1993 - 1 BvR 172/93, NJW 1993, 1463 - juris Randnummer 15). Ein Abflauen des Berichterstattungsinteresses in der Zeit kann sich bei einer neuerlichen Berichterstattung zwar aktualisieren und neu entstehen (siehe nur BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2020 - 1 BvR 1240/14, NJW 2020, 2873 Randnummer 19; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 12. März 2007 - 1 BvR 1252/02, NJW-RR 2007, 1340 - juris Randnummer 17). So ein neuer Anlass und ein darin dann liegendes Berichterstattungsinteresse ist im Fall aber nicht erkennbar. An der betroffenen Stelle geht es um ... und die Möglichkeit, dass sein "Fall" das Zeug gehabt hätte, das Renommee des Verfügungsklägers öffentlich zu beschädigen. Die Verfügungsbeklagte berichtet dem Leser dort, wie sie selbst auf Seite 3 ihrer Berufungsbegründung ausführt, bloß "beiläufig" von der lange zurückliegenden Bestrafung des Verfügungsklägers. Das "Sätzlein" liefert mithin keinen Beitrag zur Meinungsbildung einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage. Es fehlt dann aber - mit den eigenen Überlegungen der Verfügungsbeklagten - ein überwiegendes Informat...

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